Wirtschaft und Politik in Zeiten des Klimawandels
(cooppa, 22.11.2020, Fritz Hinterberger) Seit die Corona-Pandemie die Weltöffentlichkeit in Atem hält, ist der Klimaschutz deutlich in den Hintergrund geraten. Das scheint sich aber langsam zu ändern. Von der Wahl Joe Bidens in den USA über Aktivitäten der Österreichischen Bundesregierung bis zu den heutigen Statements der Staats- und Regierungschefs aus China, Japan und Indien ist das Thema wieder (fast) ganz oben auf der politischen Agenda. Andererseits hat die Pandemie auch die Klimaagenda verändert. Eine Koalition der großen wirtschaftlichen Player, USA, China und Europa wünscht sich daher auch Hannes Swoboda, Präsident des Austrian Chapter des Club of Rome – „um vor allem auch den ärmeren Ländern dabei zu helfen, Klimapolitik zu betreiben, ohne dass sie noch ärmer werden.“
„Ein Neustart für Klima, Wirtschaft und Gesellschaft“. Unter diesem Titel lädt das Austrian Chapter des Club of Rome am Nachmittag des 24.11. zu seiner Jahrestagung 2020. Dabei wird aus österreichischer, europäischer und globaler Perspektive diskutiert, Welche Systemveränderungen wir in Österreich und Europa für das Erreichen einer „Klimaneutralität bis 2040“ brauchen“ und „Welche radikalen Schritte das globale Energiesystem für das Erreichen einer Klimaneutralität benötigt“ lauten die beiden Fragen an zwei Panels.
Klimaneutralität als Ziel
Ursprünglich hätte die Tagung am kommenden Dienstag (24.11.2020) im Kassensaal der Oesterreichischen Nationalbank stattfinden sollen. „Klimaneutralität zu erreichen ist ein wichtiges Ziel der Regierungen weltweit, zu dem auch die Finanzmärkte einen Beitrag leisten müssen, indem sie die Finanzierung der erforderlichen Investitionen sicherstellen“, sagt dazu Nationalbank-Direktor Thomas Steiner. „Damit Anleger bei ihrer Investitionsentscheidung Auswirkungen auf das Klima berücksichtigen können, müssen mögliche Klimarisiken transparent und vergleichbar ausgewiesen werden.“ Jetzt wird die Veranstaltung – wie so viele andere – im Internet gestreamt. Anmeldung hier.
Eröffnet wird die Tagung von Klimaministerin Leonore Gewessler. „Das Ziel dieser Bundesregierung ist Klimaneutralität 2040. Mit entsprechenden rechtlichen Rahmenbedingungen, notwendigen Klimaschutzstandards und ordnungsrechtlichen Instrumenten werden auf diesem Weg die richtigen Weichen gestellt werden“, sagt Gewessler. „Gemeinsam mit einer klimafreundlich ausgerichteten Wirtschaft, Innovationen, die Lösungen für die Probleme von morgen anbieten, und vielen wichtigen Investitionen in eine klimafreundliche Richtung wird das gelingen. So bauen wir Österreich gemeinsam Schritt für Schritt zu einem klimaneutralen Land um, sorgen für ein Upgrade Österreichs und mehr Lebensqualität für uns alle.“
Vielfältige Gäste: Von Zivilgesellschaft und Wissenschaft …
Jetzt sei der richtige Zeitpunkt, über die Klimakrise zur reden, meint auch Katharina Rogenhofer, Gesicht und Kopf des Klimavolksbegehrens, und: „Jetzt heißt’s umsteuern!“. Mit ihr betritt eine Person aus der „Fridays for Future“-Generation das virtuelle Panel. Rogenhofer wurde 1994 in Wien geboren, studierte Zoologie an der Universität Wien und Nachhaltigkeits- und Umweltmanagement in Oxford und holte im Dezember 2018 mit weiteren Aktivistinnen und Aktivisten die „Fridays For Future“-Bewegung nach Wien. Im Rahmen der Jahrestagung soll jetzt auch ein „Jugendclub of Rome“ ins Leben gerufen werden.
Demgegenüber ist Stefan Schleicher schon ein Urgestein der Nachhaltigkeitsforschung in Österreich und hat als Universitätsprofessor für Volkswirtschaftslehre und Volkswirtschaftspolitik an der Universität Graz bereits einige Regierungen in Klimafragen beraten. Aktuell verbindet er als Konsulent am Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung die Themen „Klima“ und „Corona“ (siehe hier).
… bis hin zu Nationalbank und Nationalrat
Doris Ritzberger-Grünwald, Direktorin der Hauptabteilung Volkswirtschaft in der Oesterreichischen Nationalbank, wird sich angesichts des erheblichen Finanzierungsbedarfs, der mit dem Erreichen einer Klimaneutralität verbunden ist, damit auseinander setzen, was „Green Finance“ dazu beitragen kann. Auch damit hat sich das Austrian Chapter des Club of Rome schon beschäftigt. „Green Finance“ hat den Weg ins Eurosystem gefunden“, sagt Ritzberger-Grünwald. „Auch für die Notenbanken werden der Klimawandel und die Reaktion der Finanzmärkte darauf immer mehr zum Thema. Auf dem aktuellen Weg von reinen Ankündigungen zu echten Maßnahmen können Notenbanken und Aufseher die Finanzmärkte unterstützen.“
„Die Klimakrise ist die soziale Frage unserer Zeit! Die Klimakrise trifft die Ärmeren, die Schwächeren, um ein Vielfaches stärker als die Reichen. Eine gute Klimapolitik ist immer auch eine gute Sozialpolitik!“, meint dazu die SPÖ-Parlamentarierin Julia Herr – und als Jahrgang 1992 gewissermaßen auch noch ein „Kind“ der Fridays for Future“-Generation, wenn auch mit anderen politischen Schwerpunkten. Von 2014 bis 2020 war sie die erste Frau an der Spitze der Sozialistischen Jugend Österreichs.
„Jeder Bereich unserer Gesellschaft hat seine Aufgabe im Kampf gegen die Klimakrise. Besonders in der Politik gibt es noch viel zu tun. In dieser bedeuteten Zeit sehe ich meine Verantwortung als Klimaforscher und Politiker, die politischen Weichen mit Hilfe von wissenschaftlicher Expertise in die Richtung einer nachhaltigen Zukunft zu stellen“, sagt dazu der grüne Abgeordnete Jakob Schwarz, Jahrgang 1985, und als Atmosphärenphysiker wie auch ehemaliger Associate bei McKinsey theoretisch wie praktisch einschlägig erfahren.
Neben Politik und Wissenschaft lädt der Club of Rome auch die Kunst ein, ihren Beitrag zu leisten. „Viele Strategien den Klimawandel umzukehren, sind bereits vorhanden. Nicht selten scheitert es an der Umsetzung“ meint der Architekt Christoph Müller und fragt: „wie schafft man das grundlegende Vertrauen in die Tatsache, dass jeder ein Teil der Lösung ist?“ Als „effektive Methode zur Motivationssteigerung und zur Verhaltensänderung“ schlägt er eine seit Jahren im Marketing angewendete Methode vor: Gamification. Im Rahmen der Jahrestagung zeigt er eine mögliche Anwendung.
Link:
Pingback: Klimaneutralität erfordert alle - cooppa