Und zu Weihnachten: Friedfisch!

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…dessen prominentester heimischer Vertreter der Karpfen ist.

(cooppa, 24.12.2018, Aurelia Jurtschitsch) Leise rieselt der Schnee, still und starr liegt der See… Wenn in diesem See oder Teich ein Besatz von Karpfen wäre, würden sich die Fische eng beisammen in einem “Lager” zusammenscharen, sich nur wenig bewegen, nichts mehr fressen, kaum Stoffwechsel haben und nur drei Mal pro Minute atmen – das ist Winterruhe!

Ganz anders in der Bergsteiggasse 5 in Wien, in der Biofisch Manufaktur, Mitte Dezember. Marc Mößmer, Begründer der Marke biofisch, der ARGE Biofisch (1994) und Haupt-Mitgestalter der Richtlinien für Biofischzucht, und sein Helfer hantieren behände bei den Fischbehältern in dem halboffenen Raum, es schneit draußen, entspreched frisch ist es auch drinnen. Jetzt am Wochenende wurden an die 700 Kilogramm Karpfen frisch aus dem Waldviertel gebracht – ein Großabnehmer ist die russich- bzw. serbisch-orthodoxe Gemeinde, die traditionell ihr Nikolausfest mit Karpfen feiert und zwar nach dem gregorianischen Kalender am 19. oder 20. Dezember. Ein Karpfen aus den Hälterungen nebenan wird gekäschert, geschlachtet, ausgenommen und der Kundin übergeben. Schleie, Saibling, Hecht, Reinanke oder Forelle – allesamt bio und aus dem Waldviertel oder aus Kärntner Seen oder Bächen – werden ebenfalls angeboten.  – “Nein, für Lachs können keine Bestellungen mehr aufgenommen werden, für heuer ist das Kontingent des Partners in Irland ausgeschöpft”, muss Marc Mößmer am Telefon jemanden bis auf weiteres vertrösten. Dabei war der Anruf ganz im Sinne des Prospektes von biofisch: “Winterzeit ist Fischzeit – Vorbestellen bitte nicht vergessen!” Dies ist aber auch der Moment, wo klar wird, dass bei biofisch nicht mit Druck auf das Ökosystem oder auf die Fischpopulation gearbeitet wird. Wie wird also produziert? Dazu fordert Mark Mößmer generell alle Konsumenten auf, immer nachzufragen, woher der Fisch kommt – und ggf. tatsächlich die Produzenten zu kontaktieren.

Die Biofisch-Manufaktur im 17. Wiener Gemeindebezirk (© biofisch)

Also fragten wir nach und somit gehts in medias res eines Bio-Karpfenlebens in Mößmers Teichgut Haslau im nördlichen Waldviertel. Ab April kommt wieder Leben in den “stillen See”, der als Fischteich bereits im 16. Jahrhundert erstmals angelegt wurde. Nach dem Abfischen im Herbst war ja auch für den Teich eine Pause angesagt, denn das Wasser ist abgelassen und füllt sich erst im Lauf der Zeit wieder aus dem Umland auf. Durch die stärkere Sonneneinstrahlung ist auch bald wieder genug Plankton, das “Gold der Fischer”, vorhanden, um die in einer kleineren Hälterung überwinterten Fische in den 47 Hektar großen, flachen Teich zurückzubringen. Jetzt stehen jedem Karpfen wieder 20 Quadratmeter zur Verfügung und sie können sich im warmen Oberflächenwasser bzw. bevorzugt am nährstoffreichen schlammigen oder sandigen Ufer weiträumig bewegen. Zusätzlich gibt es einige Rationen Bio-Futtergetreide, das speziell der Karpfen gut verdauen kann.

Vier Jahre geht dieses saisonale  Spiel zwischen den Hälterungen, dann haben die Karpfen eine ideale Größe als Speisefisch erreicht. Aber es geht auch um ein anderes biologisches Prinzip: weibliche Karpfen, Rogner, werden erst im vierten Jahr geschlechtsreif, sind dann allerdings in der Lage – je nach Größe – hunderttausende Eier zu legen… selbst wenn nur 50.000 Jungfische heranreifen, herrschte im Teich bald enorme Nahrungskonkurrenz. Hier wird der berühmte “Hecht im Karpfenteich” eingesetzt, der als Raubfisch gewissermaßen für ein Gleichgewicht sorgt. Der Hecht ist der schnellste Fisch – auf kurze Distanz, nämlich ca. ein Meter. Er ist ein Standräuber und schnellt blitzartig auf vorbeischwimmende Beute zu, das kann auch ein Artgenosse sein…

Im Haslauer Teich im nördlichen Waldviertel züchtet Fischmeister und Biofisch-Gründer Marc Mößmer Karpfen, Barsch, Hecht und Schleie nach streng biologischen Richtlinien. (© biofisch)

In Marc Mößmers Demeter zertifizierten Teichen tummeln sich bis zu 15 Fischarten, Friedfische wie eben Karpfen, Rotauge und Rotfeder oder die seltene Karausche, die alle oft als Weißfisch subsumiert werden, und Raubfische. Dient den Friedfischen tierisches und pflanzliches Plankton, also Kleinstkrebse, Insektenlarven, kleine Schnecken etc. und Algen als Nahrungsquelle, so bedienen sich Raubfische im Revier an “maulgerechten” Fischen. Dabei hat jede Fischart ihr eigenes Jagdverhalten, etwa als Einzelgänger wie der Wels, der mehr tastend jede Wasserbewegung realisiert, im Rudel und in Deckung wie die Barsche oder gezielt Beute suchend. Züchterisch gesehen schlägt dieses Freßverhalten in der Bilanz insofern zu Buche, als zur Produktion von einem Kilogramm Raubfisch – von Zander zu Forelle, Barsch und Wels als bekannten Süßwasservertretern – 10 Kilogramm Fisch, und sei es Fischmehl als Zufutter, notwendig ist (Lachs allerdings inzwischen wesentlich weniger in Aquakulturen, Thunfisch hingegen bis zu 20 kg. Insofern gern der Einschub, dass es auch Meeresfriedfische gibt: Sardine, Sardelle und Hering).

In den biofisch-Teichen stehen in etwa 500 Kilogramm Räuber 15 bis 20 Tonnen Karpfen u. a. gegenüber. Das ist ein ausgeglichenes Biotop, ohne ganz genau zu wissen, wieviele Exemplare im einzelnen herumschwimmen. Soviel Realitätssinn muss folglich dem Kunden dann auch zugemutet werden, dass unter Umständen nicht auf Knopfdruck einer der Räuber ins Netz geht, sprich, dass nicht jederzeit z.B. ein Wels verfügbar ist (obwohl ja einige im Teich leben). Beim Abfischen Ende Oktober ist das etwas anderes, da werden sämtliche abgeernteten Fische sortiert und in entsprechende Hälterungen aufgeteilt. Das ist auch die Stunde der Wahrheit, ob nicht noch andere Räuber, nämlich Fischotter, Seeadler oder Graureiher, sich den Biofisch schmecken ließen.

Der Großteil des Wassers muss vor dem Abfischen aus dem Teich abgelassen werden, ansonsten wären die Fische in dem 50 Hektar großen Gewässer nur schwer zu finden! (© biofisch)

In Österreich wird der Jahres-Pro-Kopf-Verzehr von Fisch mit 8 Kilogramm angegeben. In Deutschland lag er in den letzten Jahren zwischen 13 und 15 Kilogramm (Fanggewicht). Doch der Verbrauch steigt bis auf 20 Kilogramm weltweit an, vor allem in Ländern mit reichem Meeresfisch. Gleichzeitig gibt es alarmierende Angaben bezüglich Überfischung. Umso wichtiger ist es, die Herkunft des Fisches zu kennen, den man konsumieren will. Dazu gleich auch noch ein Preisvergleich mit einem Angebot einer in Deutschland und Österreich agierenden Supermarktkette, die zur Weihnachtszeit frischen Karpfen “gewachsen in sauberen, großzügigen Teichen mit natürlichen Futtermitteln” (wo?) um 1,29 Euro /100 g anbietet, bei biofisch kostet der Waldviertler Bio-Karpfen 1,59 Euro/100 g. Nachdem die Fische 1,5 bis 2 kg wiegen, ergibt sich ein Preisunterschied von 4,50 bis 6 Euro – das sind 1 oder 2 Becher Glühwein am Christkindlmarkt-Stand. Dass es nicht zu negativen Entwicklungen in Massen-Aqua-Kulturen kommt, dafür sind alle verantwortlich – Produzenten, Handel und Konsumenten. Fisch ist eine der traditionellsten, wichtigsten Eiweißquellen in der Ernährung weltweit und in der aktuellen Debatte hat Fisch die effizientere Energiebilanz (Primärenergieeinsatz:  Nahrungsenergie) gegenüber Geflügel, Schwein und Rind.  Das ist die gute Nachricht und somit “Oh, du fröhliche … Friedfischzeit!”

www.biofisch.at
(Produzent/ARGE, Fischangebot frisch/geräuchert, Einkaufsmöglichkeiten, Rezepte, Info zur Teichwirtschaft Haslau)

Titelbild: Biofisch-Karpfen aus Marc Mößmers Fischteichen sind die ersten Demeter-zertifizierten Fische Europas! (Link)

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