Europas größte Öko-Meile
Das Umweltfestival in Berlin zog 80.000 Menschen an
(cooppa, Zusammengestellt von Manfred Ronzheimer, 04.06.2018) Berlin stand am vergangenen Sonntag (03. Juni) ganz im Zeichen der Ökologie und des umweltfreundlichen Radverkehrs. Auf dem Boulevard vor dem Brandenburger Tor hatten 250 Aussteller aus der Umwelt- und Naturschutzszene ihre Informationsstände aufgebaut und verwandelten den Tiergarten zu „Europas größter ökologische Erlebnismeile“, so die Veranstalter, die „Grüne Liga“, über das 23. Umweltfestival.
„Selten werden gleichzeitig so viele umweltfreundliche Produkte an einem Ort präsentiert und zukunftsweisende Themen so engagiert debattiert wie auf dem Umweltfestival der GRÜNEN LIGA in Berlin“. Die Besucherzahl wurde mit 80.000 Menschen angegeben, rund 20.000 mehr als im Vorjahr, was sicherlich auch dem sonnigen Frühsommerwetter zuzuschreiben war.
Berliner Sternfahrt der Radfahrer
Dem Umweltfestival vorgeschaltet war die Berliner Sternfahrt des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC), die sich selbst als „die weltweit größte Fahrrad-Demonstration“ bezeichnet. Jedes Jahr im Juni wird damit für bessere Bedingungen für den Radverkehr und die gleichberechtigte Nutzung des Fahrrades als Verkehrsmittel demonstriert. Unter dem Motto „Radverkehr ist abgasfrei!“ radelten am 03. Juni 2018 rund 90.000 Menschen auf der Fahrradsternfahrt des ADFC Berlin über 19 Routen zum Brandenburger Tor. Sie forderten saubere Luft und eine fahrradfreundliche Stadt. Notwendig sei dafür die Verabschiedung des Mobilitätsgesetzes und eine rasche Umsetzung der darin enthaltenen Maßnahmen.
Talk „Mobilität der Zukunft“
Die Berliner Umweltsenatorin Regine Günther begrüßte gemeinsam mit Frank Masurat vom ADFC und Prof. Dr. Andreas Knie vom Innovationszentrum für Mobilität und gesellschaftlichen Wandel (InnoZ) die Teilnehmer der Fahrradsternfahrt und eröffnete die Klimaschutzaktion „Stadtradeln“. Anschließend diskutieren die Talkteilnehmer kontrovers zu zukunftsfähigen Mobilitätskonzepten für Berlin.
Kampf den Einweg-Bechern
Warum die Festivalveranstalter von der GRÜNEN LIGA Berlin den Fokus auf das Thema nachhaltige Stadtentwicklung gelegt haben, erklärte die Geschäftsführerin Karen Thormeyer mit den Worten: „Für ein dauerhaft gutes Leben wird der gewissenhafte Umgang aller Menschen mit den natürlichen Ressourcen immer wichtiger. Im Gegensatz dazu steht jedoch der übermäßige Verbrauch von Ressourcen insbesondere in den Städten.“ So werden zum Beispiel in Berlin pro Stunde 20.000 Einwegbecher nach nur kurzer Benutzung weggeworfen und landen auf dem Müll. Vor diesem Hintergrund sieht Thormeyer dringenden Handlungsbedarf und nimmt auch die Politik in die Pflicht: „Je eher wir ernsthaft damit beginnen, unsere Städte nachhaltiger zu gestalten und einen generellen umweltfreundlichen Umbau der urbanen Räume anzustoßen, desto besser werden wir mit den Folgen des Klimawandels zurechtkommen. Und desto besser werden wir in Zukunft leben.“
Bei der Müllvermeidung geht die „Better World Cup”-Kampagne der Berliner Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz schon voran. Mit Unterstützung der BSR, der Stiftung Naturschutz Berlin und zahlreichen weiteren Akteuren hat sich die Kampagne vorgenommen, den enormen Verbrauch von Einwegbechern in Berlin einzudämmen, und die coffee to go-Kultur mit Mehrwegbechern und einem stadtweiten Refill-System umweltfreundlicher zu gestalten.
Veränderung auf Quartiersebene
Auf der Umweltmeile gab es auf zwei Bühnen neben viel Musik auch Diskussionen mit politischer Prominenz und die Verleihung von zwei Öko-Auszeichnungen. Das Programm im Überblick
Bei den inhaltlichen Themen lag in diesem Jahr ein Schwerpunkt auf dem Zusammenhang von Umwelt und Immobilien-Entwicklung, da gerade in Berlin die Mietpreise einen rasanten Kurs nach oben eingeschlagen haben.
Berlins Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher tauschte sich mit GASAG (Gaswerke) Vorstand Matthias Trunk und Oliver Schruoffeneger (Bezirksstadtrat Charlottenburg-Wilmersdorf) über nachhaltige und energieeffiziente Quartiersentwicklung aus. Die Talkgäste betonten, dass beim Wohnungsbau Sozialverträglichkeit und Klimaschutzmaßnahmen in Zukunft stärker Hand in Hand gehen müssen.
Angesprochen wurden diese Fragen: Was zeichnet typische Quartiere in Berlin eigentlich aus? Welche Herausforderungen im Zeichen der wachsenden Stadt müssen hier bewältigt werden? Sind Sozialverträgliches Wohnen und Klimaschutz eigentlich Gegensätze oder nicht?
Am Beispiel typischer Berliner Quartiere und speziell des Leuchtturmprojekts Mierendorffinsel wurden die aktuellen und künftigen Herausforderungen diskutiert, die in wachsenden Städten bewältigt werden müssen. Herausgestellt wurde die Bedeutung der Quartiere für das Gelingen der Energiewende und die Umsetzung des Berliner Energie- und Klimaschutzprogramms.
Zukunftsexperiment Mierendorff-Insel
Die nachhaltige „Mierendorff-Insel 2030“ liegt im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf, jenseits der Spree und dem Schloss Charlottenburg. Sie ist umgeben von der Spree, dem Westhafenkanal und dem Charlottenburger Verbindungskanal. Den gut 15.000 Einwohnern bietet sich hier die Struktur einer Kleinstadt. Eine Mischung aus Wohnen, Gewerbe, Dienstleistung und öffentlichen Institutionen, durchsetzt von Grünanlagen und Kleingärten. Sie ist damit eine ideale Mischung für ein groß angelegtes Experiment nachhaltiger Zukunftsentwicklung.
Weitere Angebote
Mit dem BioErlebnisBauernhof brachte die FÖL den Ökolandbau zum Anfassen und Mitmachen auf die Straße des 17. Juni und die zahlreichen Kinderaktionen auf der Meile machten das Umweltfestival wieder zu einem Fest für die ganze Familie. Die Besucher bestaunten Liegeräder, Solaranlagen für unterwegs, erradelten sich ihren Fruchtcocktail am Smoothiebike oder probierten Insektensnacks und wurden kreativ bei zahlreichen Upcyclingaktionen.
Förderpreisverleihung des Projekts „Gemeinsam Boden gut machen“
Die neue Bundesumweltministerin Svenja Schulze ehrte gemeinsam mit NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller die Preisträger der NABU-Initiative „Gemeinsam Boden gut machen“. Weitere Teilnehmer der Zeremonie waren Prof. Götz Rehn (Gründer und Geschäftsführer Alnatura) und Prof. Hartmut Vogtmann (Beiratsvorsitzender Alnatura Bio-Bauern-Initiative). Die Landwirte aus sieben Bundesländern erhalten eine Anschubfinanzierung, um künftig von konventionellem Anbau auf ökologische Bewirtschaftung umstellen zu können. Damit werden in 2018 zusätzliche 4.134 Hektar in Deutschland nach Bio-Kriterien bewirtschaftet. Das Projekt wird durch die „Alnatura Bio-Bauern-Initiative“ und weitere Unternehmen unterstützt.
Im Interview auf der großen Bühne bezog Umweltministerin Schulze zu konventioneller und zur Biolandwirtschaft Stellung und ging auf die Anforderungen an die EU-Agrarpolitik ein. Beim anschließenden Presserundgang über die Festivalmeile besuchte sie innovative Aussteller und ließ sich deren wegweisende Produkte vorstellen.
Großer Preis an Modeladen „Supermarché“
In einer zweiten Ehrung führte Schauspieler und Schirmherr Andreas Hoppe gewohnt charmant durch die Verleihung des Großen Preises des Umweltfestivals. Mit dem Preis prämiert das Umweltfestival innovative, umweltfreundliche und alltagstaugliche Ideen, Produkte oder Dienstleistungen für eine nachhaltigere Zukunft und ehrt besondere Leistungen und Engagement im Natur- und Umweltschutz. Die Jury prämiert nur Produkte und Ideen, die von Ausstellern auf dem Festival vorgestellt werden. Die Kriterien für die Auswahl der Gewinner sind: Ökologie, Fairness, Sinnhaftigkeit, Alltagstauglichkeit und Vorbildfunktion. Die Verleihung der Preise fand in Anwesenheit von Schauspieler Andreas Hoppe, Henning Osmers-Rentzsch von der Firma Lebensbaum und Matthias Trunk, Vorstand der GASAG AG statt.
Der Große Preis des Umweltfestivals ging in diesem Jahr an den Modeladen „Supermarché“. Supermarché steht für ökologisch und fair produzierte Mode aus Berlin. Den zweiten Platz teilten sich der Bio-Walnuss Anbieter Hof Windkind und Ehmler-Solarkocher. (Weitere Informationen zu den Preisträgern und weiteren Bewerbern.)
Gefährdung der Biodiversität – Richtig Gärtnern hilft!
In den letzten Jahrzehnten ist die Anzahl an Insekten in Deutschland drastisch zurückgegangen. Nachdem diese drastische Entwicklung bereits im letzten Jahr in den Medien hohe Wellen geschlagen hat, ist die Dringlichkeit der Problematik deshalb inzwischen weithin bekannt, nicht aber, wie selbst Bienen, Käfer und Co. geholfen werden kann. Besonders GärtnerInnen sind hier gefragt, denn um die heimischen Insektenarten zu schützen braucht es viele grüne Inseln und kleine Biotope.
Sarah Buron von der Grünen Liga Berlin leistet mit ihrem Projekt Giftfreies Gärtnern unter dem Motto „Gartenzwerg statt Giftzwerg“ Aufklärungsarbeit, wie man seine Pflanzen durch das Zusammenspiel natürlicher Faktoren und biologischer Mittel gegen Schädlinge und Krankheiten schützen kann, anstatt auf insektenschädliche Chemikalien zurückzugreifen. Auf der Bühne am Sowjetischen Ehrenmal sprach sie mit Alain Hamm, Fachberater der Berliner Kleingärtner, über die Möglichkeiten des Artenschutzes durch mehr Vielfalt im Garten reden. Im Zelt der Grünen Liga Berlin fanden außerdem Aktionen zum Thema statt, bei denen man die verschiedenen Nützlinge kennen lernen und sich weiter übers giftfreie Gärtnern informieren konnte. (Weitere Informationen zum Projekt Giftfrei Gärtnern gibt es hier: www.giftfreiesgaertnern.de)
Die Regionalwert-Idee: ökologisch und sozial aus der Region
Für eine nachhaltige Stadtentwicklung gehen ökologische Landwirtschaft und regionale Produktion Hand in Hand. Gemeinsam mit Michael Wimmer von der Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau Berlin Brandenburg e.V. (FÖL) und Jochen Fritz von der Regionalwert AG Berlin-Brandenburg wurde auf der Bühne am Brandenburger Tor das Thema Ökolandbau und Regionalertwert-Idee dargestellt.
Die Kernidee der Regionalwert AG ist es, mithilfe von Bürgeraktien in regionale Betriebe entlang der gesamten Lebensmittelwertschöpfungskette zu investieren – also in Bauernhöfe, Lebensmittelhandwerk, Handel und Gastronomie. Darüber soll mit Bürgerkapital ein Regionalverbund für ökologische und sozial nachhaltig produzierte Lebensmittel aufgebaut werden. Das Ergebnis: Wertschöpfung, Arbeitsplätze, Betriebe und gute Lebensmittel bleiben in der Region. Außerdem wird mehr Land ökologisch bewirtschaftet und Konsumenten können für ihre eigene Ernährungssouveränität Verantwortung übernehmen.
Der Talk „Die Zukunft des Öko-Landbaus“ mit Rudolf Bühler (Bäuerliche Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall) mußte leider abgesagt werden. (Weitere Informationen zu den Talkrunden unter https://www.umweltfestival.de/das-festival/talkrunden/)
Das UMWELTFESTIVAL 2018 wurde gefördert durch das Umweltbundesamt mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit und durch die Stiftung Naturschutz Berlin sowie durch die Stiftung Naturschutz Berlin mit Mitteln des Trenntstadt Fonds. Hauptsponsoren sind die GASAG AG, der Fachverband Kartonverpackungen für flüssige Nahrungsmittel e. V., die Alnatura Produktions- und Handels GmbH und die Bäuerliche Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall. Kooperationspartner sind der NABU, der ADFC Berlin und die Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau Berlin-Brandenburg (FÖL). Weitere Unterstützer sind die Umweltbank, die Ulrich Walter GmbH Lebensbaum und Meine Energieinsel.
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Beitragsbild: © GRÜNE LIGA/ Sebastian Hennings