Als freie Abgeordnete für die Zivilgesellschaft

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(cooppa, 01.09.2018, Fritz Hinterberger) Martha Bißmann ist die erste freie (manche sagen auch „wilde“) Abgeordnete in der 26. Legislaturperiode des österreichischen Nationalrats. Sie kam ins Parlament, nachdem Listengründer Peter Pilz kurz vor der Konstituierung wegen Belästigungsvorwürfen sein Amt nicht wahr nahm und wurde im Sommer 2018 aus dem Plarlamentsclub ausgeschlossen, weil sie für dessen Rückkehr nicht mehr darauf verzichten wollte.

Stimme für die Zivilgesellschaft

Die österreichischen Medien haben diese Querelen intensiv begleitet – Shitstorms inclusive. Im aktuellen News „rechnet sie ab“. Um Inhalte ging es dabei weniger. Aber worum geht es ihr eigentlich inhaltlich? Und was kann sie ohne Klub ausrichten? Wir baten daher Martha Bißmann an einem der letzen heißen Tage dieses Rekordsommers vor die Kamera. Die Themen Klima und Frauen, seien ihre zentralen Anliegen sagt Bißmann. Vor allem aber möchte sie ihre Stimme den Bürgerinnen und Bürgern zur Verfügung stellen.

„Ich habe zwar keinen Parlamentsclub mehr zukünftig – aber ich habe eine Bürgerfraktion“, sagt sie im cooppa-Interview.

 

“Das heißt: ich brauche und bekomme die Unterstützung der Zivilgesellschaft – der Bürgerinnen und Bürger, denen ich in Zukunft meine Stimme im Parlament anbieten, meine Redezeit mit ihnen teilen möchte.“ Dafür steht ihr die meiste Redezeit aller Abgeordneten zur Verfügung: „Ich bekomme die Hälfte der Redezeit des kleinsten Parlementsklubs“, also derzeit der „Liste Pilz mit ihren sieben Abgeordneten“.“Viel Redezeit, die ich in Zukunft mit Stimmen aus der Zivilgesellschft teilen kann“. Wortmeldungen sollen über das Internet an sie herangetragen werden können, die sie dann neben eigenen Statements dort vorlesen wird, sagt Bißmann. Außerdem kann Bißmann Petitionen in den parlamentarischen Petitionsausschuss einbringen, die dann an entsprechende Fachausschüsse weiter verwiesen werden. Für andere parlamentarische Instrumente, etwa Gesetzesanträge oder dringliche Anfragen, braucht sie die Unterschrift von mindestens vier weiteren Abgeordneten. „Ich bin sehr zuversichtlich, dass ich die bekomme“, sagt Bißmann.

Allerdings sind ihre organisatorischen und finanziellen Möglichkeiten dafür begrenzt. Eine parlamentarische Mitarbeiterin steht ihr dafür zur Verfügung. Klubförderung und Parteiakademie, die den Fraktionen mit Klubstärke Mitarbeiterstäbe ermöglichen, fehlen ihr aber. An Geld steht ihr ihr Abgeordnetengehalt zur Verfügung. Bißman will das über Crowdfunding kompensieren.

„Es gibt momentan keinen wichtigeren Auftrag“

Vor allem zwei Themenbereiche haben sie dazu veranlasst, weiterhin im Parlament zu die Ökologie, mit dem Fokus Klimawandel, und die Frauenthematik.

Wie sie uns sagt, ist es „reiner Zufall, dass die restliche Legislaturperiode noch vier Jahre beträgt und das genau auch die Zeitspanne ist, die wir, die die Welt hat, um die schlimmsten Klimawandelfolgen zu verhindern“. KlimaforscherInnen sind sich einig dass wir noch zwei bis vier Jahren haben um die Klimaerwärmung auf 2° zu beschränken. Die Maßnahmen dafür müssen jetzt gesetzt werden. „Es gibt momentan keinen wichtigeren Auftrag“. Österreich habe aufgrund seiner wirtschaftlich guten Stellung eine spezielle Verantwortung. „Wir müssen Vorreiter sein!“ Und: „wir müssen die EU-Ziele als Vorreiter übertreffen“.

Jahrelang galt Österreich als das „grüne Ökoland“, indem nicht nur eine intakte Naturlandschaft sondern auch breites Umweltbewusstsein in der Gesellschaft vorherrschte. Doch dieses Image werde aktuell, vor allem durch die jetzige Regierung, verschlechtert. Die Folgen des Nichthandelns würden vom Bundeskanzler mit keinem Wort erwähnt. „Mit der jetzigen Regierung ist es umso wichtiger, aus der Opposition heraus zu handeln“.

Auch Gesetzliche Unterstützung für mehr Frauen in Politik und höheren Funktionen

Das zweite Thema liegt ihr, vor allem als Selbstbetroffene, am Herzen, so Bißmann. Deshalb unterstütze sie die Gesetzesinitiative „Frauenhass im Netz“.  „Warum trifft es Frauen viel härter und  häufiger?“ Martha Bißmann geht in ihrem Interview auf zwei von vielen Fällen ein, in denen Frauen Opfer von Hasskampagnen und –attacken wurden. Ihre ehemaligen Kollegin, Eva Glawischnig, die letzte Parteiobfrau der Grünen, geriet aufgrund der Tatsache dass sie eine Frau und Parteivertreterin einer linken, grünen Partei war nicht nur einmal in die Schusslinie. Werner Kogler glaubt, sagt Bißmann, dass das „der Grund war warum sie aus der Politik gegangen ist“. Eben wegen solcher Beispiele müsse ein stärkeres Bewusstsein in der Gesellschaft geschaffen, aber auch auf gesetzlicher Ebene nachgebessert werden.

Sie fordert dabei die Änderung des „Ehrenbeleidigungsparagraphen aus dem Strafgesetzbuch“. Denn, „momentan kann man sexistische und beleidigende Zuschriften nicht zur Anzeige bringen, die per E-Mail oder Messenger eingereicht werden“. Um Anzeige erheben zu können, muss eine Beleidigung von mindestens drei Personen gesehen, gehört oder gelesen werden. Ein weiteres Beispiel ist der Fall von Sigi Maurer. Sie veröffentlichte, inklusive Klarnamen, Hasspostings gegen sie. Nun wird sie wegen Rufschädigung auf 60.000€ verklagt. Wäre der Paragraph damals schon novelliert gewesen, hätte Sigi Maurer ihren Fall  zur Anzeige bringen können, so Bißmann. „All diese Vorfälle schrecken Frauen davon ab in die Politik zu gehen.“ Aber „wir brauchen und wollen mehr Frauen in der Politik und höheren Funktionen“.

Mehr Gehör für Zivilgesellschaft im Nationalrat

“Ich kenne Martha Bißmann seit vielen Jahren, schon lange bevor sie ins Parlament einzog, als starke, mutige und kompetente Stimme, die für den Klimaschutz und die Energiewende brennt”, sagt dazu Doris Holler-Bruckner, die mit ihrer Online-Zeitung oekonews und als und Präsidentin des Bundesverbands Nachhaltige Mobilität seit Jahrzehnten selbst eine der wichtigsten Stimmen für österreichische Ökologie-Interessierte erhebt. Für die Zivilgesellschaft sei es essenziell, dass diese Themen und die dahinter stehenden Werte auch im österreichischen Parlament Gehör finden. Das sei ihr manchmal zu wenig der Fall. Dazu gehört für Holler-Bruckner “rasches Handeln für den Klimaschutz, mehr Einsatz für die Energiewende und die Unterstützung von Unternehmen, die bereits Vorreiter in diesen Bereichen sind”. Konkret wäre ihr “großer Wunsch”, ein Vorranggesetz für Klimaschutz und Energiewende.

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