Zirkuläre Produktion, oder: was Afrika mit dem Römerland Carnuntum verbindet

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(cooppa, 01.03.2021, Fritz Hinterberger) Wo wird künftig produziert? – Das war die Leitfrage der zweiten Veranstaltung der Reihe #100minutenZukunft >> Mobilität 2050 veranstaltet vom Regionalentwicklungsverein Römerland Carnuntum in Zusammenarbeit mit Partnern wie dem Austrian Chapter und dem regionalen Carnuntum Chapter des Club of Rome. Wird Afrika als „neues China“ die verlängerte Werkbank der Welt? Und wird Europa (wieder) ein bedeutender Produktionsstandort? Wie wirken sich veränderte Produktionsstandorte auf den Warentransport, auf Infrastruktur und Logistik, auf die Entwicklung von Lebensraum und Lebensqualität – und auf Versorgungs- und Krisensicherheit – aus? Welche positiven Auswirkungen für eine Brennpunktregion wie das Römerland Carnuntum können entstehen – und wie können diese regional mitgestaltet werden?

Ökologische Kreisläufe und Wertschöpfung international und in der Region

Im November 2020 veröffentlichte der internationale Club of Rome gemeinsam mit SYSTEMIQ (einem laut Eigendefinition „innovativen, pragmatischem, optimistischen Weltklasseunternehmen mit dem Herzen einer NGO“) einen System Change Compass. „Vom politischen Programm zur Systemtransformation – Möglichkeiten des Europäischen Green Deals“ heißt es dort. Das Vorwort schrieb EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Der Bericht nennt unter anderem zehn neu zu definierende Prinzipien für den Wandel Europas: von „redefining prosperity“ über „redefining natural resources use“ bis zu „redefining leadership“, wobei hier Klimaneutralität und Kreislaufwirtschaft verschränkt werden.

„Klimapolitik und Kreislaufwirtschaft müssen verschränkt werden“, meinte auch Reinhold Lang, Professor für Kunststofftechnik an der Johannes Kepler Universität Linz bei #100minutenZukunft. Ein neues Carbon Management könnte “Österreich und Europa [zum] führenden Industriestandort für hochwertige, ressourcenschonende und CO2-arme Produktion“ machen. Das wird einiges verändern – auch an den globalen Waren- und Stoffströmen. Anstatt Erdöl kann im Nahen Osten künftig Solarstrom produziert werden und daraus Grundstoffe für die Chemieindustrie, die zukünftig auf Öl und Gas verzichten muss, wenn Österreich das Ziel Klimaneutralität bis 2040 erreichen will.

Lang sprach (ab Minute 12) deshalb über „zirkulären Kohlenstoff als Ware“ und spannt dabei einen großen Bogen: „the big picture“ steht auf seiner Startfolie. Vom Big Bang bis heute und in die Zukunft der Region Römerland Carnuntum in 30 Minuten! „Wir können angesichts vielschichtiger Wechselwirkungen die Systeme gar nicht groß genug denken!“, sagt Lang. Sein Mobilitätsbegriff bezieht sich auf Stoffströme mit Kohlenstoff als wichtigstem „Stoff des Lebens“. Wie machen wir Kohlenstoff so mobil, dass wir zirkuläre Kohlenstoffströme haben, wie wir sie aus der Evolution kennen – und das noch eleganter und effizienter.

Ein Green Deal für die Industrie

Vom Kohlendioxid als Problemstoff zu leicht transportierbaren Kohlenstoffverbindungen, aus denen Kunststoffe für viele Einsatzgebiete erzeugt werden können. Bisher lineare Energie- und Werkstoffkreiskäufe zu verbinden, sei technologisch möglich und ökonomisch sinnvoll, woraus sich eine Riesen-Chance für Österreich ergäbe. Lang, der jahrelang in der Industrie gearbeitet hat und auch die Politik berät, weist darauf hin, dass genau das seit Jänner 2020 auch im österreichischen Regierungsprogramm steht: ein Green Deal für die österreichische Wirtschaft.

Anstatt fossile Rohstoffe um den halben Globus zu transportieren, um mit einem Gesamtwirkungsgrad von weit unter einem Prozent dann 20 Grad Raumtemperatur zu produzieren, soll CO2 im Kreislauf geführt werden – in einer Menge, die ungefähr dem Vierfachen des global produzierten Plastikmülls entspricht. Daraus eröffne sich auch eine Chance für einen Green Deal zwischen Europa und Afrika, wo mit solarer Energie Stoffe produziert werden können, die nach Europa transportiert und hier in der Industrie verwendet werden: zum Beispiel Wasserstoff.

Ein erdölfreies Römerland?

Dazu passt: „Erdölfreies Römerland umsetzen“ hat sich die Region zum Ziel gesetzt. Genau daran schließt Christopher Ehrenberg, Leiter des Lafarge Zementwerks in Mannersdorf am Leithagebirge, mit seiner Präsentation (ab Minute 48) eines Vorzeigeprojekts an. „Wir zeigen es vor: Zementwerke werden künftig echte Kreislaufwirtschaft ermöglichen“, so Ehrenberg schon im Vorfeld. Hier werden „Localized and Distributed Value Chain Systems” (also lokale und verteilte Wertschöpfungskettensysteme), die auch im System Change Compass gefordert werden konkret umgesetzt – ein mögliches Vorbild also, wie die europäische Wirtschaft nach COVID-19 grüner, resilienter und fairer aussehen könnte.

CO2 aus der Zementerzeugung wird dabei als „Potential für die Region“ gesehen. Als Beitrag zur Klimaneutralität soll das bei der Zementproduktion in die Umwelt entlassende CO2 auf null reduziert werden, indem es abgeschieden und verwertet wird. Im Projekt „Carbon2ProductAustria“ (C2PAT) soll gemeinsam mit Unternehmen wie OMV, Verbund und Borealis die gesamte Menge an CO2, die in Mannersdorf anfällt, immerhin 700.000 Tonnen pro Jahr, abgeschieden und daraus mit grün erzeugtem Wasserstoff synthetische Kraft- und Kunststoffe produziert werden sollen.

Vom Großen ins Kleine

Da die Wirtschaft der Region natürlich nicht nur aus Industrie besteht, legt „Querkopf und Visionär“ Herbert Stava (Geschäftsführer von Landgarten – im Video ab genau einer Stunde) dem noch einen Puzzlestein aus der KMU-Welt hinzu. Die Grundidee war eine sehr regionale: Bioprodukte (von Sojabohnen bis zu Kürbiskernen) aus der Region als Snacks beim Heurigen anzubieten. Auch hier steht also wieder der Gedanke im Mittelpunkt, die regionale Wertschöpfung zu erhöhen, sagt Stava.

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