Blick in die wissenschaftliche Glaskugel

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Der dritte Foresight-Zyklus soll die großen Zukunftstrends der nächsten 20 Jahre erkunden

(cooppa, 17.10.2019, Manfred Ronzheimer) Ein Zukunftsstart, der im Zukunftstrubel unterging: Während das neue Berliner Zukunftsmuseum „Futurium“ im September mit großem Publikumszulauf seinen Regelbetrieb eröffnete, trat im Gebäude direkt nebenan, dem Bundesforschungsministerium, zum ersten Mal der neu gebildete „Zukunftskreis“ zusammen.

In seiner Eigenschaft als „Zukunftsministerium“ der Bundesregierung hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) den nunmehr dritten „Foresight“-Zyklus gestartet, mit dem ein langfristiger Blick auf künftige Entwicklungen in Forschung, Technologie und Gesellschaft gerichtet wird. Ernannt wurde ein 17-köpfiger Expertenbeirat, der „Zukunftskreis“, der als „zentrales Beratungs- und Inspirationsgremium des BMBF in Zukunftsfragen“ fungieren soll. Zusätzlich bilden die beiden Consultingunternehmen Prognos und Z_punkt ein „Zukunftsbüro“, das in den nächsten drei Jahren für das BMBF Fachstudien erstellen und kontinierlich die Zukunftsdebatte in Wirtschaft und Gesellschaft verfolgen soll. Stärker als in den vorangegangen Zyklen der „strategischen Vorausschau“ (Foresight) findet jetzt der Themenkomplex Digitalisierung und Künstliche Intelligenz Beachtung.

Der neue „Foresight“-Zyklus wartet unter anderem mit der Neuerung der Eindeutschung auf. Anstelle des internationalen Fachbegriffs „Foresight“ wird nun von „Vorausschau“ gesprochen, sogar mit eigener Webseite: www.vorausschau.de

Zukunft als Gestaltungsaufgabe

Der semantische Kniff soll auch die Öffnung zur Gesellschaft signalisieren, die dem Vorsitzenden des neuen „Zukunftskreises“, Prof Armin Grunwald, sehr wichtig ist. Der Physiker und Philosoph leitet hauptamtlich das Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse am Karlsruhe Institute for Technoloy (KIT) sowie das Büro für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB). „Wir dürfen die Zukunft nicht einzelnen Disziplinen überlassen“, sagt Grunwald. „Weil die Zukunft eine Gestaltungsaufgabe ist, brauchen wir unterschiedliche Perspektiven, damit wir nicht einseitig in eine Richtung marschieren, sondern die Gesellschaft als Ganzes abbilden“.

Geleitet wird das Gremium auch von der Foresight-Expertin und Unternehmerin Cornelia Daheim, die seinerzeit den privaten Kölner Thinktank „z_punkt“ aufgebaut hatte, der das Instrument der gesellschafts- und kundenbezogenen Zukunftsplanung als einer der ersten in die deutsche Wirtschaft hineingetragen hatte.

Science Fiction als Zukunftsexpertise

Die 17 Mitglieder des Zukunftskreises um Grunwald und Daheim – Akteure aus Wirtschaft, Forschung, Kultur und Zivilgesellschaft – sollen in den nächsten drei Jahren den Vorausschau-Prozess als zentrales Beratungs- und Inspirationsgremium des BMBF in Zukunftsfragen unterstützen. Sie sollen zukünftige Entwicklungen bis zum Ende 2030er Jahre nicht nur beschreiben, sondern auch ihre möglichen Konsequenzen sichtbar machen. Zu den Expertinnen und Experten gehören ungter anderem die Leiterin des Fraunhofer Centers for Responsible Research, Prof. Martina Schraudner,

Der semantische Kniff soll auch die Öffnung zur Gesellschaft signalisieren, die dem Vorsitzenden des neuen „Zukunftskreises“, Prof Armin Grunwald, sehr wichtig ist. Der Physiker und Philosoph leitet hauptamtlich das Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse am Karlsruhe Institute for Technoloy (KIT) sowie das Büro für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag (TAB). „Wir dürfen die Zukunft nicht einzelnen Disziplinen überlassen“, sagt Grunwald. „Weil die Zukunft eine Gestaltungsaufgabe ist, brauchen wir unterschiedliche Perspektiven, damit wir nicht einseitig in eine Richtung marschieren, sondern die Gesellschaft als Ganzes abbilden“.

Geleitet wird das Gremium auch von der Foresight-Expertin und Unternehmerin Cornelia Daheim, die seinerzeit den privaten Kölner Thinktank „z_punkt“ aufgebaut hatte, der das Instrument der gesellschafts- und kundenbezogenen Zukunftsplanung als einer der ersten in die deutsche Wirtschaft hineingetragen hatte.

Science Fiction als Zukunftsexpertise

Die 17 Mitglieder des Zukunftskreises um Grunwald und Daheim – Akteure aus Wirtschaft, Forschung, Kultur und Zivilgesellschaft – sollen in den nächsten drei Jahren den Vorausschau-Prozess als zentrales Beratungs- und Inspirationsgremium des BMBF in Zukunftsfragen unterstützen. Sie sollen zukünftige Entwicklungen bis zum Ende 2030er Jahre nicht nur beschreiben, sondern auch ihre möglichen Konsequenzen sichtbar machen.

Zu den Expertinnen und Experten gehören ungter anderem die Leiterin des Fraunhofer Centers for Responsible Research, Prof. Martina Schraudner, Björn Theis als Leiter der „Foresight“-Abteilung beim Chemie-Konzern Evonik bis hin zum Inhaber der größten Science-Fiction-Bibliothek Europas mit Sitz in Wetzlar, Thomas Le Blanc. Erstmals ist mit ihm auch ein Vertreter der „narrativen Zukunft“ in der Kreis der Futuristen aufgenommen worden – wohl auch deshalb, weil auf dem Wege der Science Fiction in Buch und Film, in Erzählungen von Jules Verne bis zur Star Wars-Saga und der deutschen Raumpatrouille „Orion“, eingängige Zukunftsbilder die meisten Menschen erreichen.

Die Mitglieder des Zukunftskreises, der für drei Jahre berufen wurde und sich am 5. September 2019 konstituierte:

Cornelia Daheim (Foresight-Expertin und Unternehmerin, future-impacts.de)
Prof. Dr. Armin Grunwald (Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse am KIT, Karlsruhe, Büro für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag, TAB)
Dr. Ute Günther (Business Angels Netzwerk Deutschland – BAND)
Dr. Gesa Schönberger (Heidelberger Institut für Theoretische Studien HITS)
Dr. Heike Riehl (IBM Forschungszentrum, Rüschlikon)
Thomas Le Blanc (Phantastische Bibliothek, Wetzlar)
Björn Theis (Leiter der Foresight-Abteilung bei EVONIK)
Wolfgang Müller-Pietralla (Leiter der Abteilung Zukunftsforschung und Trendtransfer der Volkswagen AG)
Wolf Lotter (Wirtschaftsmagazin brand eins)
Prof. Dr. Dr. Martina Schäfer (Zentrum Technik und Gesellschaft der TU Berlin)
Prof. Dr. Martina Schraudner (Lehrstuhl für Gender und Diversity in der Technik und Produktentwicklung an der TU Berlin)
Geraldine de Bastion (Beratungsunternehmen Konnektiv Kollektiv GmbH, Berlin)
Prof. Dr. York Sure-Vetter (Informatik, Karlsruhe Institut für Technologie)
Prof. Dr. Dr. Dr. Roland Benedikter (EURAC Research Center for Advanced Studies, Bozen)
Dr. Karim Fathi (Viadrina Europa-Universität, PROTECTIVES GbR)
Dr. Christine Burtscheidt (Max-Planck-Gesellschaft)
Prof. Dr. Veronika Grimm (Wirtschaftstheorie, Universität Erlangen-Nürnberg)

Megatrend Digitalisierung und Künstliche Intelligenz

Die „Megatrends“, auf die der Blick gerichtet werden soll, um daraus Forschungsempfehlungen für das BMBF abzuleiten, umfassen eine große Bandbreite: Von den anthropogenen Umweltbelastungen, demographischem Wandel, Urbanisierung, Digitaler Transformation und veränderten Arbeitswelten bis hin zu „Business-Ökosystemen“ mit neuen Geschäftsfeldern sowie ausdifferenzierten Lebenswelten. Für Cornelia Daheim werden „Digitalisierung und KI eine prägende Rolle für die Entwicklungen der nächsten Jahre spielen, weil sie alle Lebens-, Arbeits- und Wirtschaftsbereiche durchdringen“.

Beide Themen spielten inzwischen in fast allen Foresight-Projekten ihres jetzigen Zukunftsberatungsunternehmens „Future Impacts“ eine wesentliche Rolle. „In der letzten Zeit waren das zum Beispiel die Studie des Millennium Project zu „Future Work / Tech 2050“, oder ein Projekt für das Europäische Parlament zur Zukunft der Präzisions-Landwirtschaft“. Als zentrale Fragestellungen sollten mit Blick auf diese und andere Technologie-Felder, betont Zukunftsforscherin Daheim, „immer eingebunden sein, zu welchem Zweck wir sie einsetzen und welche Rolle sie bei der Lösung großer globaler Probleme wie dem Klimawandel und einer sozialen Zukunftsgestaltung spielen können“.

Prognos managt „Zukunftsbüro“

In seiner Themengestaltung ist der Zukunftskreis offen. Die ersten Entscheidungen über Vertiefungsthemen fallen nach Aussage Daheims im Frühjahr nächsten Jahres, wenn die aktuell laufende Recherchephase des Zukunftsbüros abgeschlossen ist. Aber schon in den Diskussionen der Auftaktsitzung sei die Digitalisierung „durchaus als zentrales Thema präsent gewesen, besonders auch in Bezug auf die gesamtgesellschaftliche Wirkung“, berichtet Daheim und ergänzt: „Ich persönlich kann mir vorstellen, dass Digitalisierung, verstanden als zentraler Treiber des Wandels, als eine Art „Querschnittsthema“ im gesamten Foresight-Zyklus wesentlich sein wird“.

Neu ist die Einrichtung eines „Zukunftsbüros“ durch einen externen Dienstleister. Nach der Ausschreibung des BMBF vom 12.3.2019 soll das Zukunftsbüro den Zukunftskreis der ExpertInnen unterstüzen und „als Impulsgeber sowie Foresight-Akteur fungieren“. Die genauere Aufgabenbeschreibung lautet: „Das Zukunftsbüro identifiziert und entwickelt in einem Themen-Scanning zukünftig relevante Themen und führt ausgewählte, vertiefende Foresight-Aktivitäten durch“. Dabei gehe es um technologische und gesellschaftliche Themenfelder.

„Das Zukunftsbüro ist in die Netzwerke der strategischen Vorausschau sowie den wissenschaftlichen Diskurs eingebunden und hat gemeinsam mit dem vom BMBF für die Unterstützung bei strategischen Aufgaben in den Bereichen Strategie, Innovationspolitik, Strategische Vorausschau sowie Daten- und Analysegrundlagen für Bildung und Forschung beauftragten Projektträger die notwendige Infrastruktur sicherzustellen“, wird der Auftrag des neuen Akteurs vom Ministerium weiter beschrieben. Der aktuelle Prozess der „Strategischen Vorausschau“ des BMBF läuft von 2019 bis 2022 und ist mit insgesamt 6,5 Millionen Euro ausgestattet. Davon gehen etwas mehr als 3 Millionen Euro an das Konsortium des Zukunftsbüros.

Wandel der Wertvorstellungen

Als erstes großes Zukunftsthema werden sich Zukunftskreis und Zukunftbüro mit der Frage befassen: Wie werden sich die Wertvorstellungen der Menschen in Deutschland entwickeln?  Das Zukunftsbüro, das nach Ausssage von Bundesforschungsminsterin Anja Karliczek „halbjährlich eine Trendliste erarbeitet“, ist auch mit der Ausarbeitung einer „Werte-Studie“ befasst. Erste Ergebnisse werden für Anfang 2020 erwartet. Die Umfrage zur Datenerbgebung wurde vom Meinungsforschungsinstituts Civey im Auftrag des BMBF an zwei Tagen Ende August 2019 im Kontakt mit 2500 Befragten durchgeführt.

Jüngere Umfragen hatten festgestellt, dass in Deutschland inzwischen die Zukunftsangst bei den Bürgern größer ist als der Zukunftsoptimismus. In einer Umfrage, die das BMBF im Sommer durch das Berliner Demoskopieunternehemen Civey durchführen ließ, gab fast die Hälfte der Befragten an, persönlich „keine konkrete Vorstellung von der Zukunft zu haben“. Über 40 Prozent waren zudem der Meinung, Zukunftsszenarien sollten sich am gesellschaftlichen Wohl orientieren. Und mehr als 60 Prozent hielten es für „sehr wichtig, dass die Bundesregierung Zukunftsszenarien durchspielt und notwendige Vorkehrungen trifft.“ Eine Steilvorlage für die zuständige Ministerin. „Diese Zahlen bestärken uns darin“, kommentierte BMBF-Chefin Anja Karliczek, „dass wir den Prozess der strategischen Vorausschau fortsetzen und intensivieren“.

„Wir möchten wissen, ob und wie sich der innere Kompass der Menschen verändert und was das für unsere zukünftige Gesellschaft und unser Zusammenleben bedeutet“, formulierte die Ministerin das Erkenntnisinteresse der Studie. „Was wird die heute junge Generation ihren Kindern mitgeben?“ Ihrem Ministerium sei es „wichtig, einen offenen Diskurs über die Herausforderungen, Chancen und Risiken, die sich aus den großen Zukunftsfragen ergeben, anzuregen und zu fördern“, so Karliczek. Dazu sei auch das Futurium, das Haus der Zukünfte in Berlin eingerichtet worden.

Auswirkugen auf die Forschungspolitik

Die Zukunft hat auch eine Vergangenheit, etwa in Gestalt der vorherigen Foresight-Programme des BMBF. Der Ingenieur und Zukunftsforscher Prof. Axel Zweck vom VDI Technologiezentrum in Düsseldorf war maßgeblich am letzten Zyklus der strategischen Zukunftsschau beteiligt, der 2015 endete. Was wurde mit dem Blick in die ferne Zukunft für die Verbesserung der aktuellen Forschungspolitik bewirkt? Zweck sieht Wirkungen in drei Bereichen. So habe sich die Vorhersage, dass die Digitalisierung nicht nur einige Branchen betreffen, sondern alle wirtschaftlichen und später auch gesellschaftlichen Bereiche durchdringen werde, sehr schnell in Realität umgesetzt. Auch die „autonomen Systeme“ – Anfang des Jahrzehnts wollten die Zukunftsforscher noch nicht von „Künstlicher Intelligenz“ sprechen – seien dabei, ihre vorhergesagte Relevanz faktisch einzulösen. Dies werde in Deutschland von einer verstärkten ethischen Debatte über die gesellschaftlichen Folgen begleitet. Zum dritten sei auch das Petitum seiner Foresight-Gruppe, dass es weniger um die Vorbereitung technischer als vielmehr soziotechnischer Innovationen gehen müsse, im Ministerium aufgegriffen worden. Zweck: „Wir hatten versucht, deutlich zu machen, dass bei der Entwicklung von Technik auch immer die sozialen Effekte mitbedacht werden müssen“.

Unter den Möglichkeiten

Kritischer sieht dagegen der Berliner Zukunftsexperte Klaus Burmeister, Mitautor der Studie „Deutschland D2030“, die innerministerielle Wirkung. Die ersten beiden Foresight-Zyklen seit 2007 seien „hinter ihren Möglichkeiten und Erwartungen zurückgeblieben“, ist seine Meinung. Bereits ihre organisatorische Konstruktion weise Defizite auf, indem die Foresight-Vorschläge nur „als add-ons und nicht als integrierter Bestandteil der strategischen Ausrichtung des BMBF“ einbezogen werde, urteilt Burmeister. „Zukunftsforschung hat auch nach zwei Zyklen keine geachtete oder anerkannte Stellung in der Wahrnehmung des BMBF“. Wirklich ernstgenommen werden dagegen die Big Player der Forschung wie die Fraunhofer- und die Max-Planck-Gesellschaft oder die Technik-Akademie acatech.

Foresight brauche „Mut und Unabhängigkeit“, postuliert Burmeister, „Ob das in einem Ministerium realisiert werden kann, muss bezweifelt werden“, setzt er hinzu. Foresight, die Vorausschau in die Zukunft, müsse Diskurse führen und Themen besetzen. Burmeister: „Hierzu braucht es eine Wissenschaftskommunikation auf der Höhe der Zeit“.

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