Zur Lage des Wissenschaftsjournalismus 2018

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Eine Bestandsaufnahme von cooppa im Gedenken an Robert Jungk

(cooppa, Manfred Ronzheimer, 11.05.2018) Am 11. Mai 1913 wurde Robert Jungk in Berlin geboren, vor nunmehr 105 Jahren. Weil Jungk in seinem späteren Berufsleben ein wichtiger und prägender Wissenschaftsjournalist wurde, will cooppa dieses Datum nutzen, um künftig jährlich einen Zustandsbericht über den Wissenschaftsjournalismus zu erstellen. Dies betrifft den deutschsprachigen Raum, teilweise auch die internationale Entwicklung.

Generelle Situation

Die Situation des Wissenschaftsjournalismus im Jahre 2018 ist als durchaus kritisch einzuschätzen. Nicht lebensbedroht, aber kritisch. Quantitativ und auch qualitativ. Die Zahl der hauptberuflich tätigen Wissenschaftsjournalisten nimmt ab, ihr Publikationsraum in den Medien ebenso.

Dieser Trend nach unten ist Bestandteil der generellen Entwicklung des Qualitätsjournalimus, dem durch die Digitalisieurng seine bisherigen Geschäftsmodelle wegfallen und der eine stärkere gesellschaftliche Rückendeckung für seine Funktion als vierte Gewalt in der Demokratie benötigt. Dieser große Wandel beschäftigt derzeit den Wissenschaftsjournalismus nur in einem ökonomischen Teilaspekt: der Suche nach neuen Geschäftsmodellen zur Refinanzeirung journalistischer Arbeit, etwa in Form von digitalen Plattformen oder Mediengenossenschaften (Beispiel cooppa). Dabei handelt es sich um Einzellösungen. Ein systemar gedachter Ansatz – sowohl demokratietheoretisch als auch medienpolitisch – fehlt dagegen. In welche Richtung diskutiert werden müsste, zeigt die Einlassung von Otfried Jarren bei der Entgegennahme des Schader-Preises.

Wissenschaftsjournalismus ohne Kontrollfunktion

Auch der zweite Aspekt – die Funktion des Wissenschaftsjournalismus als kritisches Korrektiv gegenüber dem Wissenschaftssystem – spielt in den Medien keine Rolle mehr. Andere redaktionelle Ressorts nehmen diese Kontrollfunktion noch wahr. Wenn Parteien ihre Konvente halten, Konzerne ihre Bilanzen vorstellen, dann sind die Medien dabei. Doch für die Jahrestreffen und Wahlen etwa der Helmholtz- oder Leibniz-Gemeinschaft interessiert sich (fast) kein Journalist mehr.

Der heutige Wissenschaftsjournalismus ist keiner mehr, weil er den Kernbereich des Journalismus als Chronist und gesellschaftlicher Bewerter des Wissenschaftssystems aufgegeben hat. Stattdessen werden Berichte über Laborergebnisse und Entdeckungen geliefert, folgt überwiegend den Individualinteressen einzelner Reporter. Dieser Trend der Entpolitisierung der Berichterstattung marginalisiert die immer weniger werdenden Wissenschaftsjournalisten in den Redaktionen.

Das große Defizit des Wissenschaftsjournalismus ist heute darin zu sehen, dass es keine ausreichende Dynamik gibt, sich aus den Abhängkeiten des alten Mediensystems (Massenmedien, Private Presse, Papier) zu befreien und neue Wege, ja breite Boulevards an Alternativen zu eröffnen. Stichworte sind hier partizipativer Journalimus, Impact-Journalismus, Plattformisierung und neue Bündnisse mit den Nutzern.

Die Wissenschaftskommunikatoren: Medienarbeit mit Steuergeld

Während auf der Seite des Wissenschaftsjournalismus die Möglichkeiten im Printbereich (private Presse) immer geringer werden und beim Öffentlich-rechtlichen Rundfunk bestenfalls gedeckelt sind, hält auf Seiten der Wissenschaftskommunikation die Expansion weiter an. Experten schätzen, dass sich die Zahl der Wissenschaftskommunikatoren in Deutschland in den letzten zehn Jahren verzehnfacht hat. Personell zieht die Wissenschaftskommunikation darum auch weiterhin praktizierende Journalisten auf ihre Seite – ein kontinuierlicher Aderlass. So hat der Tagesspiegel in Berlin in wenigen Monaten drei Wissenschaftsjournalisten verloren, die in die Kommunikationsabteilungen öffentlicher Forschungsinstitute gewechselt sind. Hier stehen dann aus den öffentlichehen Kassen enorme Gelder zur Verfügung.

Die Verbreitung und Wirkung dieser Kommunikation ist allerdings begrenzt. Empirische Einschätzungen liefert seit einigen Jahren das Wissenschaftsbarometer von „Wissenschaft im Dialog“.

Auf großen Zusammenkünften wie dem Forum Wissenschaftskommunikation oder dem Jahrestreffen der Hochschulkommunikatoren wird der interne Austausch gepflegt. Von Relevanz war hier 2017 eine Evaluationsstudie im Auftrag des Bundesverbandes Hochschulkommunikation. Sie ergab, dass die Kommunikationsstellen der deutschen Hochschulen im Schnitt mit 6,1 Personen besetzt sind. Die deutsche Hochschulrektorenkonferenz HRK hat 268 Mitgliedshochschulen. Hinzu kommen die nicht erfassten außeruniversitären Forschungseinrichtungen.

Neu ist die Entwicklung, dass top down – von einigen Leitern von Wissenschaftsinstitutionen und Programmverantwortlichen – immer vernehmbarer ein Unbehagen und Missfallen über die Formate und Wirkungen der Wissenschaftskommunikation zum Ausdruck gebracht wird. Aufwand und Effekt stünden in keinem Verhältnis mehr. Kommuniziert werde nur in den Teil der Bevölkerung, die ohnehin auf Seiten der Wissenschaft stehe. Das alte Modell des PUSH (Public Understanding of Science and Humanities) gilt vielen als überholt, aber Nachfolge-Modelle sind nicht entwickelt.

Dafür rollt die eingespielte Event-Maschinerie von Wissenschaftsorganisationen, Ministerien und Werbeagenturen unverändert weiter. Wissenschaftsjahre, Forschungsschiffe, Rollende Science-Trucks, Lange Nächte und ganze Tage der Wissenschaft, Kinder-Unis und und und. Das Angebot ist nicht mehr überschaubar.

Chance der WÖM-Vorschläge blieb ungenutzt

Eine bislang verpasste Chance, um zu neuen Ufern aufzubrechen, sind die im Jahr 2017 vorgestellten Empfehlungen der Akademien-Arbeitshruppe „Wissenschaft, Öffentlichkeit, Medien“ (WÖM) zu „Social Media und digitaler Wissenschaftskommunikation“. Darin sind eine Reihe von Vorschlägen enthalten, die durchaus eine vertiefte Diskussion verdient hätten. Darunter neue Fördermodelle für den Wissenschaftsjournalismus oder eine gemeinsame Internetplattform, ein deutsches Wissenschafts-Facebook. Doch nirgendwo wurden einer etwas verunglückten Präsentationsveranstaltung die Ideen der Akademiegruppe aufgegriffen und weiter entwickelt.

Beitragsbild: Robert Jungk Sondermarke 2013 (© Österreichische Post)

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