Wandlungswillige, wandlungsfähige Wissenschaft?
(cooppa, Fritz Hinterberger, Manfred Ronzheimer & Christina Treiber, 14.11.2018)
Die 4. Wachstum im Wandel-Konferenz findet von 14.-15. November 2018 in Wien statt. cooppa berichtet ausführlich von der Konferenz hier auf cooppa.at (Deutsch) und auf dem Live-Blog der Konferenz (Englisch).
Science in Transition
„Wissenschaft im Wandel“ („Science in Transition“) – unter diesem Titel fand schon einen Tag vor dem „Wachstum im Wandel“-Kongress eine Konferenz im Rahmen der Ratspräsidentschaft im Austria Center Vienna statt. Sie wurde von der Allianz Nachhaltige Universitäten in Österreich in Kooperation mit der Österreichischen Forschungsstiftung für Internationale Entwicklung (ÖFSE), dem Runden Tisch Hochschulbildung Global, der Österreichischen Fachhochschulkonferenz und der OeAD/Abteilung Bildung und Forschung für Entwicklungszusammenarbeit durchgeführt.
Die Allianz nachhaltiger Universitäten ist ein informeller Zusammenschluss von 13 Wissenschafts-Organisationen. Ihre Treffen „gehören zu den erfreulichsten im universitären Zusammenhang, getragen von einer positiven Stimmung, Wertschätzung und Optimismus“, sagte zum Auftakt Prof. Helga Kromp-Kolb, die „Grande Dame“ der österreichischen Klima- und Nachhaltigkeitsforschung. Dabei fragen sich die Beteiligten unter anderem: „Vermitteln wir den Studierenden das kritische Denken und Hinterfragen? Welchen Beitrag leistet die Forschung?“ Bis hin zur konkreten Nachhaltigkeit im Betrieb der Organisation „Universität“ – vom Bau bis zur Reinigung, reicht das Spektrum der Aktivitäten, und das in einem Bereich, der oft „eher selbst reproduzierend als Verantwortung übernehmend“ arbeite.
Die Universitäten müssten aber zu „Change agents“ werden, die andere mitnehmen. Es stelle „eine Riesen-Herausforderung dar, aktiv die Veränderung zu gestalten“. Dies verlange Mut zur Veränderung und Zivilcourage sowie ein förderliches Habitat und echtes Zusammenwirken von Forschern und Studierenden, Gesellschaft, Wirtschaft und EntscheidungsträgerInnen.
„Das braucht transformatives, transgressives and transdisziplinäres soziales Lernen“ sagte Arjen Wals, Professor für Transformative Learning for Socio-Ecological Sustainability an der Universität Wageningen, in seiner Keynote (siehe unten).
„Hat die Transition der Wissenschaft schon begonnen?“, wurde am Ende der Konferenz gefragt. Es brauche dabei sowohl eine Transformation der Forschung als auch der Lehre. Die Rolle der Studierenden ging in der Diskussion aber wiederholt verloren und musste von einschlägig Engagierten (Studierenden, Professoren, Entscheidungsträgern) kontinuierlich nachgefragt werden. Entsprechende Botschaften ergingen an die Hochschulen und die Politik. Gefordert wurde etwa gezielte Förderung von SDG-relevanten Inhalten, eine Vernetzung der Akteure sowie Anreizsysteme in den entsprechenden Förderrichtlinien.
Keynote von Arjen Wals
„Publish and Perish…?“ (übersetzt etwa: „veröffentlichen und zugrunde gehen…?“), fragte Arjen Wals, Professor für Transformatives Lernen für Sozio-Ökologische Nachhaltigkeit an der Universität Wageningen (NL) provokativ. „Während Wissenschaftler die Anzahl ihrer Publikationen erhöhen um in diesem Bildungssystem zu bestehen, ist immer weniger Zeit diese Artikel zu lesen“. Deshalb unterstreicht er den Bedard eines Perspektivenwechsel, einer ganzheitlichen Denkweise. Es brauche transformatives, transgressives und transdisziplinäres soziales Lernen, das von Vielfalt, sozialem Zusammenhalt und Vertrauen profitiert. Lernen ist transformativ, wenn psycho-soziale Prozesse kognitiver und emotionaler Perspektivenwechsel zu sozio-ökologischem Wandel und Lebensbejahung führen. Es wird “transgressiv”, wenn es bestehende und unterdrückende Strukturen, Kräfte, Systeme und Routinen hinterfragt, stört und verändert. Zu guter Letzt wird soziales Lernen wird transdisziplinär, wenn es Grenzen überschreitet, um auf iterative und inklusive Weise Veränderungen in Aktion und Praxis mitzugestalten und zu bejahen. Das kann zu neuen Sichtweisen auf die Welt führen und neue Formen der Problemlösung schaffen. Er sieht die SDGs als Katalysator für eine Wissenschaft „off-the-grid“ für eine nachhaltigere Welt. Nachhaltigkeit ist führend, während Forschung, Staat, Bildung, Unternehmen und gesellschaftliche Organisationen zusammenarbeiten.
Die Nachhaltigkeit in der Forschungspolitik
Wissenschaft und Forschung müssen die „grand challenges“, die für die Zukunft des Planeten entscheidend sind, ständig im Blick behalten und Lösungen entwickeln. Das war die Botschaft von Wolfgang Burtscher, Stellvertretender Generaldirektor im Generaldirektorat für Forschung und Innovation der Europäischen Kommission, zur Eröffnung der 4. Wachstum im Wandel-Konferenz.
Diese Ausrichtung auf die großen Herausforderungen, etwa zu Schutz der Gemeingüter wie der Atmosphäre oder den Weltmeeren, sei auch deshalb wichtig, weil nur so die Wissenschaft weiter die Akzeptanz und die Unterstützung von Seiten der Gesellschaft erhalte. „Wir brauchen darum auch mehr direkte Beteiligung von Bürgern an Forschungsprojekten“, sagte Burtscher. Bei den Vorbereitungen für das nächste Forschungsrahmenprogramm „Horizon Europe“ spiele Sustainable Development eine große Rolle. Mit 77 Milliarden Euro seien rund 60 Prozent des Budgets für diese Themen vorgesehen.
Sorge vor dem „Auseinanderbrechen der Gesellschaft“
Wolfgang Sobotka, Erster Nationalratspräsident, äußerte sich im „Political Panel“ zu Fragen der Nachhaltigkeit und der gesellschaftlichen Entwicklung. Sorge bereite ihm das „Auseinanderbrechen der Gesellschaft“ und das Wachsen von „Verlustängsten“. Immer mehr Menschen bewegten sich in ihren eigenen Communities der Information und Selbstbestätigung. Hier müsse Politik stärker das Zusammenhängende und das Zusammengehörigkeitsgefühl ansprechen. Beteiligung, Partizipation, sei dafür ein Schlüssel. „Wenn die Menschen nicht mehr gehört und mitgenommen werden, dann schaffen sie sich ihre eigene Welt“, sagte Sobotka. Wichtig sei aber auch die Betonung der Toleranz. „Es geht in der Nachhaltigkeit auch immer um das Akzepzieren der anderen Positionen“, betonte der Politiker.
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