Abwenden – aufhalten – umdrehen. Die Welt retten indem wir tun, was wir wirklich wirklich wollen. Frithjof Bergmann beim Schremser Pfingstsmyposium.
(cooppa, Fritz Hinterberger, 05.06.2017) Zu Weihnachten wurde Frithjof Bergmann, Vordenker einer „neuen Kultur der Arbeit“ 86 Jahre alt. Immer noch tourt er durch die Welt, um daran zu arbeiten, seinem Anliegen Taten folgen zu lassen: die Lösung der großen Herausforderungen unserer Zeit wie Arbeitslosigkeit, globale Armut und Klimawandel sei nur zu lösen, wenn es uns gelingt, die Arbeit so zu organisieren, dass jede und jeder tut, was sie oder er „wirklich wirklich“ will. „Nicht einmal in der Liebe“ sei man „so auf dem Punkt“ wie in der Arbeit, sagt er im Interview, das wir beim Open Space Symposium „Gemeinsinnig Wirtschaften“ Anfang Juni mit ihm geführt haben.
Über das Pfingstsymposium
Ich nehme nun einiges (vom Symposium) nach Amerika mit. Die Art und Weise, wie man hier mit einander umgeht, die verschiedenen Menschen, die ähnliches oder dasselbe wollen, die Entschlossenheit, ist einzigartig. Heini Staudinger, leichtlebig, bescheiden und humorvoll, hat hier etwas aufgebaut, das sich anfühlt als würde es größer werden können. Er hat eine poetische und mitfühlende Art, nichts davon ist gespielt oder übertrieben. „Jedes Mal wenn ich dich sehe, stimmt es mich fröhlich!“ rief er mir zu. Alle Konferenzen und Workshops zum Thema Führung kommen nicht im Geringsten an das heran, was er ohne Arroganz aus dem Handgelenk schüttelt.
Über die „Neue Arbeit“
Ich hatte heute ein Gespräch in einem Workshop, und wir sind zu dem Entschluss gekommen, das alles ist nicht genug. Die meisten Dinge, die im Gespräch sind, können das in keiner Weise in Anspruch nehmen, sie würden nicht das Klima, die Ressourcenverschwendung, die Ruinierung der ökologischen Welt, die Schere zwischen Arm und Reich umkehren können. Das müssen wir jedoch tun, wir müssen all das umkehren. Es gibt im Augenblick eine größeren, schon vielfältig entwickelten Versuch, nämlich die neue Arbeit, etwas zu tun, um die Kalamitäten, die aus uns zu kommen wie große Wogen, abzuwenden, aufzuhalten, umzudrehen. Ich würde das gerne unterrichten, hier in Österreich eine Schule, einen Ort der Bildung aufbauen, die sich darauf konzentriert, junge Menschen allen Alters, auch die 85-Jährigen jung gebliebenen in diese Richtung zu beeinflussen. Es liegt mir viel daran, dass viele Menschen über die neue Art Bauer zu sein, diese neue Art sich selbst zu versorgen, aber eben diese Technologien, die wir in den letzten 20 Jahren entwickelt haben, zu nutzen, und sich selbst das Haus zu bauen, mit Essen und Elektrizität zu versorgen, alles Denkbare selbst herstellt. Das kann man jetzt. Dieses High-Tech-Self-Providing zu verbreiten, auszusäen wie eine Saat, das käme mir wichtig vor, das würde ich mit Hingabe tun.
Über das intensive Leben und wirklich, wirklich wollen
Immer wenn ich um mich schaue habe ich das Gefühl, dass die meisten Menschen nicht wirklich leben, sondern entsprechen dem Zitat „Sie sind tot, aber nicht tot genug, um begraben zu werden.“. Dagegen gibt es nur ein Mittel. Die Arbeit zu finden, die man wirklich, wirklich will. Nichts anderes hat die Kraft einen zurück in ein intensives Leben zu ziehen, ein Leben, in dem man tatsächlich, wirklich lebt. Ich bin sehr beeindruckt von der Kurzgeschichte „der Tod des Ivan Iljitsch“, die Tolstoi geschrieben hat. Das ist die Beschreibung des Sterbens eines Bauern in Russland, der im Sterben 4 Tage schrie, weil er erkannte als es schon zu spät war, dass er eigentlich nicht gelebt hat. Das bringt mich dazu, was mich wirklich bewegt: Dass die Menschen es irgendwie schaffen, lebendiger zu werden.
Das einzige Mittel, dass dafür für mich zur Hand ist, ist sie immer wieder zu fragen, ob sie dem was sie wirklich, wirklich wollen, nahekommen. Man kann glücklich sein, auf viele verschiedene, vielfältige, unglaubliche Arten und Weisen. Glücklich sein ist nicht das, was ich versuche, ins Zentrum zu stellen, sondern lebendig zu sein. Einen dazu zu bringen, dass man lebt, das kann nur die Arbeit. Sich auf den Punkt zu bringen und sich wirklich zu konzentrieren, das passiert nicht einmal so in der Liebe, wie in der Arbeit.