‚Wir bauen eine neue Wirtschaft’

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Bericht zur GV des Genossenschaftsrevisionsverbandes Rückenwind

(cooppa, Harald J. Orthaber, 25.10.2018) Der Genossenschaftsrevisionsverband Rückenwind lud am 05.10.2018 in Graz zur seiner siebten Generalversammlung (GV). Sie wurde von allen gegenwärtig 19 Genossenschaftsmitgliedern, darunter auch von der Cooppa-Mediengenossenschaft eG, unter lebhafter Beteiligung genutzt.

Es war vielleicht kein Zufall, zumindest passt es genau zum Konflikt des Rückenwind-Mitbegründers Heini Staudinger mit der FMA, dass diese Generalversammlung knapp zwei Jahre nach seiner Anerkennung im Geschäftslokal der Mitgliedsgenossenschaft lab10 eG, in Graz, stattfand. Beiden gemeinsam ist, dass deren Bekanntheitsgrad einer Misere oder Kritik am Geldsystem, im weiteren Sinn, zu verdanken ist. Bei Heini Staudinger, wie schon angesprochen, ist es die Kreditmisere unseres Banken- und Finanzsystems, bei lab10 eG sind es die IT-Dienstleistungen von Blockchain-Technologien, dessen Bekanntheitsgrad wiederum zunächst ein systemkritisches Geldsystem, die Cryptowährung Bitcoin, bescherte.

Rückenwind für das Neue

Der Genossenschaftsrevisionsverband geht natürlich weit darüber hinaus, nur das Geldsystem als Anlass ihrer Gründung zu haben. Es geht um unser gesamtes menschliches Zusammenleben, unsere Tätigkeiten miteinander, die gemeinhin mit dem Wirtschaften als Grundlage unseres Wohlstandes zu tun haben. Er ist ein erster und gleichzeitig der wichtigste Versuch einer „anderen“, einer „neuen“ Wirtschaft in Österreich, wie es als Präambel der Einladung zur GV, im Mail mit dem Betreff ‚Wir bauen eine neue Wirtschaft’, zu lesen ist. Und weiter heißt es darin in den nächsten zwei Absätzen:

Wir müssen uns dieser Verantwortung bewusst sein und mit Kraft am Neuen bauen. In zehn Jahren sollen „bei uns“, unter dem Dach von unserem „Rückenwindverband“ (… und Freunde …), mindestens 10.000 Leute Brot und Arbeit haben. Wir müssen stark werden, müssen eine Lobbykraft entfalten, müssen (mit-)gestalten und mit Mut und Klugheit, Engagement und Liebe das Neue wollen und tun.

Wir sind nicht nur Akteure der Neuen Wirtschaft, wir sind auch Rückenwind für das Neue und ohne Zweifel sind wir auch Fahnenträger der Hoffnung, denn es ist nicht eine kleine Minderheit, die mit der herrschenden Wirtschaft unzufrieden ist, nein, es ist ein große Mehrheit, die von Unbehagen geplagt wird.

War es anfangs klar, dass Heini Staudinger die Obmannschaft des Vereins bei der Gründung höchstwahrscheinlich übernehmen wird, so lag es auch auf der Hand, dass der in vielen Belangen – ob wirtschaftlich, regionalpolitisch – umtriebige Mann, diese auch bald wieder mit Ablaufdatum versieht. Und so war es denn auch bei dieser GV. Er trat dankend zurück und überließ anderen die Fortsetzung des gemeinsam aufgestellten Werkes. Seinem Wunsch, als Beirat, den Tagesgeschäften enthoben, inspirativ für die Weiterentwicklung wirken zu wollen, wurde entsprochen.

Heini Staudinger bei der Rückenwind-GV
Gemeinsam wirtschaften, vernetzen, helfen

Den Beginn der GV bildete die Vorstellung der bereits auf 19 Genossenschaften angewachsenen Mitglieder. Eine Wachstumsperformance von rund einem Mitglied pro Monat kann sich sehen lassen! Bis Ende des Jahres wird mit 22 Genossenschaften zu rechnen sein. Einzelheiten über Inhalte der bestehenden Genossenschaftsmitglieder können einschlägigen Berichten entnommen werden. Hier sei nur erwähnt, dass sich mit dem Verband, ganz im Sinne des Genossenschaftsgedankens der Anfänge, Vernetzungen und Hilfestellungen untereinander herauskristallisieren sollen. Vielfältiges und traditionelles Wissen, das durch den kapitalistischen Konkurrenzdruck schon völlig verschüttet wurde, kann wieder wirksam werden und in ein Tun münden, dem ein wirkliches, wirkliches Wollen, ganz nach Frithjof H. Bergmann, zugrunde liegt. Bergmann, Gastredner schon beim Pfingstsymposium 2017, begründete seine Überlegungen weit zurückliegend in den Arbeits- und Arbeitslosenverhältnissen des ersten Automatisierungsschubes der Industrialisierung des vorigen Jahrhunderts.

Vielfältige alternative Wirtschaftsweisen, Lösungsangebote, Ideen

Vielleicht mag der Genossenschaftsgedanke gegenüber der heutigen Zeit von Facebook und Co. etwas antiquiert klingen und für manche das Wirtschaftsleben alter rivalisierender Gesellschaftsblöcke von Kapitalismus und Kommunismus wach rufen. In einer Zeit nun globaler Kommunikationsmittel und sogenannter ‚smarter’ Technologien, die Automatisierung und Überwachung bis ins kleinste Detail möglich machen, braucht – ja darf dies – kein Gegensatz mehr sein. Der Freiheitswunsch auf der einen Seite braucht Verbindlichkeit und Verantwortlichkeit auf der anderen Seite, sowie eine neuerliche Kultur des einander Helfens und des Hilfe Annehmens. Es mag wiederum Genossenschaft heißen, drinnen stecken aber vielfältige alternative Wirtschaftsweisen, Lösungsangebote, Ideen, die in Verbindung mit modernen Technologien ungeahnte Wirkungen entfalten, die selbst wieder auf die technologische Weiterentwicklung und auf unsere gesellschaftliche Partizipation im politischen Leben starken Einfluss nehmen.

Wie nennt es Heini, es muss – um nur ein Element beispielhaft herauszugreifen – die Energiewende geschafft werden. Es ist gut, wenn im Kleinen vielfältig gearbeitet wird, wenn aber Spekulation wirkt, dann wird die Suppe vergiftet. Unternehmungen brauchen nicht Konkurs zu gehen, wenn entsprechende Hilfestellungen untereinander gegeben werden. So endet die gewohnt pointierte Rede von Heini mit der allgemeinen Warnung: „Entweder wird die Wirtschaft in 50 Jahren biologisch oder lebensbejahend oder sie wird nicht mehr sein!“

Gemeinsam mutig weitermachen

Zurückkommend auf den Ablauf der GV, gibt Heini also seinen Rücktritt von der Obmannschaft bekannt und die darauffolgende Laudatio, gehalten von Heidi Rest-Hinterseer, spricht Situationen aus seinem Wirken an. Angefangen von seinem Familienkreis, die ihm nicht immer wohlwollend gegenüberstand, galt er doch als fanatischer Eiferer, der gleich die ganze Welt ändern wolle. Oder so war die Gründung eines Schuhladens zunächst ganz profaner Natur, nämlich, dass er selbst gerade welche brauchte. Dass er schließlich im Waldviertel eine Schuhfabrik errichtete, war laut Heinis Aussagen eine Herausforderung und Naivität zugleich, gerade dem Trend der Abwanderung von Menschen aus der Region z.B. nach Krems etwas entgegen setzen zu wollen. Aber Naive sollen angeblich von den Göttern des Olymp beschützt werden, weil von Vernünftigen keine Heldentaten zu erwarten seien! – So sein Spruch. Desweiteren dürfen seine verwegenen Sprüche als Firmengrundsätze da nicht fehlen, die da sind: ‚scheiß di net au’, mutig ja aber mit Moral, d.h. es sollen keine Leute hineingelegt werden. Am Ende wird Heini zum Dank für seine bisherige Arbeit einschlägig beschenkt und wünscht sich selbst für die Zukunft, sich der Aufgabe eines Beirates widmen zu dürfen, auf der Seite der ‚kleinen’ Leute zu sein und damit einen Beitrag für eine gelingende Demokratie zu liefern.

Der neue Rückenwind-Vorstand

Als neuer Obmann für die kommenden vier Jahre wird Richard Fetscher gewählt, ebenfalls seit der ersten Minute der Gründung dabei. Er beschäftigt sich seit 2004 mit dem Genossenschaftswesen, hat selbst noch keine gegründet, jedoch eine GmbH & Co KG. Sein großes Anliegen ist die Vernetzung ihrer Mitglieder untereinander. Die weiteren in den Vorstand teils wieder gewählten Personen sind Heidi Rest-Hinterseer (Obmann Stv.), Georg Bacher (Kassier), Christa Maier und Andreas Egger.

Um Vernetzungen wirklich sichtbar und erlebbar zu machen, sollte entsprechend Zeit miteinander verbracht werden. Vielleicht könnte dazu, als persönliche Meinung des Autors, an zuletzt noch Anwesende deponiert, eine Matrix der beteiligten Genossenschaften groß und gut sichtbar aufgelegt werden, in die Kontaktwünsche einzelner TeilnehmerInnen eingetragen werden können – denn nur allzu schnell verlaufen sich, nach Treffen wie diesen, die Teilnehmenden nach dem offiziellen Ende, ohne ins Gespräch gekommen zu sein oder gewünschte Kontakte mit einzelnen Personen rechtzeitig ausfindig gemacht zu haben.

Genossenschaftsverband: Unterstützung nach innen und außen

Die Anlage und Dienstleistungen, die der Genossenschaftsverband über ihre Mitglieder anbieten möchte, reichen zunächst von den gesetzlichen Aufgaben der Prüfung bis hin zu fachlichen Unterstützungen und Themenbehandlungen. Im Fokus stehen natürliche Genossenschaften. Jedoch könnten dies zukünftig z.B. auch Stiftungen betreffen. Über die Beiratstätigkeit, die insgesamt von drei Personen nun wahrgenommen werden soll (eine vierte Person steht noch zur Disposition), sollen weitere Themen und Aufgaben erschließbar sein. So sollen z.B. Akzente gesetzt werden, um Konzepte zur Wirtschaft weiter zu entwickeln. Der Beirat ist keine Vertretung des Verbandes nach außen. Er wird vom Vorstand rechtlich und finanziell unterstützt. Eine Grenzziehung zwischen der Tätigkeit des Obmanns und des Beirats soll jedoch keine Betonmauer sein. – ersterer stellt die Pflicht, zweiterer die Kür dar, der dem Gesamtaufbau dienen soll.

Mit dem Genossenschaftsverband sollen auch Außenstehende oder Vernetzungen mit Außenstehenden gefördert werden. Alle, die eine ähnliche Wirtschaftsethik vertreten, gehören im Prinzip dazu. Vor allem sollen kleine Genossenschaften besondere Unterstützung erhalten, sodass diese überleben können. Besonders stellt sich hier die Frage, wie Bedürfnisse und Synergien erkannt, erfasst und erlebt werden können. Karl Staudinger, der Advokat des Verbandes, wird sich zu all diesen Themen und zu deren Kapazitätsbewältigung noch dahinter setzen. Es werden dazu Jour Fix-Zeiten eingerichtet werden. Anstehende Fragen möchte der neue Obmann binnen 24 Stunden beantworten. Ein sicher sehr ambitioniertes Vorhaben.

Als einer der letzten Tagespunkte stand noch der Antrag einer ‚Vereinfachten Revision für Kleinstgenossenschaften beim Bundesgesetz einzubringen’ auf der Agenda. Dieser Antrag folgt einer Vorgabe, die bereits in Deutschland erfolgreich  umgesetzt wurde. Sie soll für Genossenschaften mit <700.000 € Umsatz, <50.000 € Bilanz und <10 ArbeitnehmerInnen gelten. Er wurde ebenfalls, wie alle anderen Abstimmungen, einstimmig beschlossen.

Die GV schließt somit erfolgreich ihre Sitzung und es blieb noch Zeit für so manche lebhafte Diskussionen untereinander.

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