Wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen.
Auf dem Weg zu einer globalen Gesellschaft der Überflüssigen?
(cooppa, Ilse Kleinschuster, 16.03.2018) Anlässlich des diesjährigen Symposions in Dürnstein in der schönen Wachau – diesmal unter dem provokanten Motto „Wer nicht arbeiten will, soll auch nicht essen“ – kam es zu anregenden Debatten um Mindestsicherung, Grundeinkommen, Arbeitslosigkeit, Automatisierung und Digitalisierung. Angesehene Ökonomen und Wissenschaftler, aber auch Publizisten, Personen aus dem öffentlichen Dienst und Künstler waren eingeladen. Philipp Blom hat eine phantastische Eröffnungsrede zum Thema „No future? Über die Zukunftsverweigerung und ihre Folgen“ gehalten. Katharina Stemberger las einen eigenen Text als starken Input zur Diskussion: „Kunst, Macht, Arbeit“ – Angst herrsche unter der arbeitenden Bevölkerung – mit den Künstlern sei das so eine Sache, sie machen den Herrschenden eher Angst, denn diese ließen sich nicht so leicht kontrollieren.
Mathias Binswanger, Professor für Volkswirtschatslehre an der Fachhochschule Nordwestschweiz und Privatdozent an der Universität St. Gallen stellte die Frage, ob denn nun der Mensch in einer digitalen Wirtschaft zum Verschwinden kommen werde. Er meint, eine Entwicklung in der sich das Wirtschaftssystem zunehmend verselbstständigt, sich vom Menschen emanzipiert und dieser vom handelnden Subjekt zum gesteuerten Objekt wird, sollte viel achtsamer hinterfragt werden.
Von der Digitalisierung als große Chance zu sprechen scheint zurzeit sehr umstritten. So meinte Hermann Kopetz, Mitbegründer der TTTech Computertechnik AG, em. Professor für Technische Informatik, TU Wien, es bleibe der große Durchbruch der künstlichen Intelligenz (AI) abzuwarten. Und dann seien ja immer noch einige politische Maßnahmen notwendig, um zu einer grundsätzlichen Neuordnung der Verteilung zu gelangen. René Schindler, Gewerkschaft PRO-GE, Bundessekretär für Soziales und Recht, meinte, es sei zunächst grundsätzlich die Frage zu stellen, ob wir denn eine derartige Entwicklung überhaupt wollen – ob es vorläufig nicht genüge, Arbeitszeitverkürzung zu fordern, schließlich sei es ein Unterschied, ob man die Lohn-Arbeit ab- oder wegnähme. Auch Michael Wiesmüller (BMVIT) meinte, es sei noch zu früh, es gäbe noch keinen Digitalen Strategieplan in Österreich – vielmehr sollte man überlegen, inwieweit man statt vermehrter Einstellung von Robots nicht zur Wertschätzung von Ko-bots übergehen sollte. Auch der Geschäftsführer der NÖ-Regional GmbH, Walter Kirchler, bekundete seine Zweifel an einer raschen Umsetzung eines wirklich flächendeckenden Glasfasernetzes. Vorläufig könne man nur von der Aufhebung der Entfernungen und dem Entstehen eines völlig neuen Raumes träumen. Aber nichtsdestotrotz sollte man jetzt schon darüber nachdenken, welche Priorität man seinem Handy, seinem Auto und einer guten privaten Partnerschaft gibt.
Zwiespältig ist auch die Einstellung gegenüber dem Faktor Selbsterhaltung (Subsistenz) – ihre kaum stattfindende Thematisierung in der Ausbildung, die Betonung eines negativen Menschenbildes in der Selbsterhaltung ist Thema des jungen Wirtschafts- und Sozialethikers, Sebastian Thieme, der sich fragt, ob nun der Ökonom zum Menschenfeind geworden ist.
Prof. Ulrich Brand (Politikwissenschaft, Uni Wien) thematisierte die Problematik der Globalisierung mit ihrer Produktion von Überflüssigen im globalen Süden. Er sieht das Hauptproblem in der fast unmöglich erscheinenden Zusammenführung solidarischer Politik mit der imperialen Produktions- und Lebensweise, durch die Hierarchie, Machtverhältnisse und Ungleichheit global stabilisiert worden sind. Es sei daher nicht nur die Sinnfrage zu stellen, sondern die Systemfrage zu konkretisieren: Wie könnten wir den Wohlstand anders schaffen, neue Erfahrungsräume bilden, in denen möglichst viele Menschen mitgenommen und ermächtigt werden, so dass die Nachhaltigkeits-Debatte für alle „lebbar“, wirklich nachvollziehbar werden kann? Es gäbe dazu schon gute Ansätze, aber die Grenzen müssten natürlich politisch gesetzt werden. Daten, die einen Rückgang jenes Anteils der Weltbevölkerung, der in absoluter Armut lebt, seien in Hinblick auf das Anwachsen einer globalen Mittelklasse, in Bezug auf die „Grenzen des Planeten“ nicht sehr beruhigend.
Dies führte zur Problematik der Agrarpolitik und der Ernährungssouveränität, mit der Juliana Fehlinger (Via Campesina Austria) ihre Ausführungen begann. Prinzipiell kann diese globale Organisation nur erfolgreich sein, wenn möglichst viele ähnliche Bewegungen in Kooperation zusammenhelfen, letztlich sei natürlich auch hier die Politik gefragt. Und immer wieder taucht die Frage auf, wie kommen wir zu einer un-imperialen Produktions- und Lebensweise und wie können wir den Spielraum für De-Globalisierung ermöglichen. Wir sollten endlich dieses zwingende Bedingungsverhältnis von öffentlichem Raum und menschlichem Handeln besser verstehen lernen, erst dann kann Freiheit zu einer demokratischen Agency werden, so die Wiener Architektin und Raumplanerin, Gabu Heindl.
Mithilfe all dieser Ideen – Schaffung alternativer Freiräume und freiwilliges Handeln/Tätig-Sein – war die Brücke zum Bedingungslosen Grundeinkommen (BGE) errichtet. Daniel Häni, einer der Initiatoren der Schweizer Bürgerinitiative für ein Grundeinkommen, verwehrte sich gegen den Ausdruck „arbeitsloses“ Grundeinkommen, er sei misanthropisch. Vielmehr hält er das Grundeinkommen für ein Menschrecht. In der Schweizer Bürgerinitiative sei die Einführung eines emanzipatorischen Modells propagiert worden und so sei die Frage „Was würdest du arbeiten, wenn für dein Grundeinkommen gesorgt wäre“ wohl eine fundamental humane.
Mit der Präsentation des aktuellen finnischen GE-Projekts (Durchführung: KELA – SOCIAL Insurance Institution) wurde unter anderem die Vielfalt der Modelle zum BGE sichtbar gemacht. Es hängt nicht nur von der Höhe des Einkommens ab, ob es sich um ein sozial ausgewogenes Modell handelt oder eher eines, dass dem Fortschreiten einer neoliberalen Wirtschaftspolitik nicht zu sehr im Wege steht. Wesentlich sei hier auch der Unterschied in den Finanzierungsmodellen. Die Finanzierung sei jeweils demokratisch zu verhandeln.
„Wenn Geld zum Selbstzweck wird, ist‘s keine Ökonomie mehr!“
Christian Felber hielt zum Abschluss seinen krönenden Vortrag: „Menschenwürde und Gemeinwohl“. Er ist bekennender Befürworter der BGE-, aber vor allem auch der Vollgeldinitiative (neun von zehn Menschen wünschten sich eine andere Wirtschafts- und Finanzordnung, leider fehle noch die Diskussion dazu im öffentlichen Diskurs). Er könne sich gut vorstellen, dass jetzt die UN-Nachhaltigkeitsziele, die SDGs, als ein wesentliches Gemeinwohlprinzip zu verwenden seien. Eine Gemeinwohl-Matrix 5.0 wäre ein vernünftiges Ziel. Erst dann könnte das kapitalistische Wertesystem von einem Gemeinwohl-Wirtschaftssystem abgelöst werden. Er verfolgt sein Ziel – fordert uns auf, den langen Weg dorthin zu kultivieren, ihn gemeinsam zu gehen, indem wir uns für mehr partizipatives Wirtschaften und für souveräne Grundrechte verstärkt einsetzt und er erntet dafür großen Applaus.
Es war ein gutes Symposion, das die niederösterreichische Institution für Forschung und Bildung da auf die Beine gestellt hat.
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Fotocredit: ©NFB/Klaus Ranger