Strahlen kennen keine Grenzen

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Anhörung zur Erweiterung des tschechischen Atomkraftwerks Dukovany in Wien

(cooppa, Renate Brandner-Weiß und Fritz Hinterberger, 22.06.2018) Sieben Stunden lang stehen Vertreterinnen und Vertreter tschechischer Unternehmen und Behörden Anfang Juni im Wiener Theater Odeon Rede und Antwort. Es geht um die Erweiterung des Atomkraftwerks Dukovany, 31 km von der österreichischen Grenze – 120 km von Wien. Eingeladen dazu hat das Land Niederösterreich. Hochrangige Vertreter (Landesräte) dreier Bundesländer (Wien, Niederösterreich und Oberösterreich) die auch drei unterschiedliche politische Parteien vertreten (SPÖ, ÖVP und Grüne) haben sich dafür stark gemacht.

„Strahlen kennen keine Grenzen, daher sind wir gemeinsam in einem Boot“, sagt der oberösterreichische Umwelt-Landesrat Rudi Anschober gleich zu Beginn, weshalb die Landesregierung den Ausbau auch klar und eindeutig ablehnt. Erdbebensicherheit und nicht ausreichende Kühlwassermengen gehören zu den wichtigsten Argumenten. Dürresituationen nehmen wegen des Klimawandels zu, sagt der Grüne Anschober. Aber auch Niederösterreich und Wien schließen sich der klaren Ablehnung an. Vor 40 Jahren hat Österreich in einer Volksabstimmung entgegen der Pläne der Regierung die Nutzung eines fast fertigen Atomkraftwerks in Zwentendorf knapp abgelehnt. Die weiteren Ausbaupläne wurden gestoppt.

Gemeinsam für die Energiewende statt unwirtschaftlicher Atomkraft

Auch die Wirtschaftlichkeit neuer Atomkraftwerke sei längst nicht mehr gegeben, so Anschober. Er formuliert als „Angebot“: gemeinsam an einer Energiewende zu arbeiten – weg von der Atomkraft und von fossilen Energieträgern. Dass dies möglich ist, wurde jüngst wieder in einer Studie für ganz Europa gezeigt. Die tschechischen Vertreter betonen, dass das Verfahren zur Umweltverträglichkeitsprüfung international durchgeführt wurde – unter Beteiligung aller Staaten. Diese „öffentliche Erörterung“ in Wien gehe über die gesetzlichen Anforderungen hinaus. Alle Stellungnahmen werden beantwortet, sagt der Vertreter des tschechischen Umweltministeriums.

Projektwerber ist „Elektrárna Dukovany II“, eine Tochtergesellschaft von CES, dem größten Stromversorgers der tschechischen Republik und einer der größten Energieversorger Europas. Die Verwendung der besten verfügbaren Technologie sei geplant – mit einer Lebensdauer von mindestens 60 Jahren. Langfristig sollen die beiden neuen Blöcke die bestehenden vier ersetzen. Der konkrete Lieferant für den Reaktor ist noch nicht ausgewählt. Alle erwarteten Auswirkungen sind in allen betrachteten Umweltkategorien als akzeptabel zu beurteilen, fassen die Autoren des UVP-Berichts ihre Arbeit zusammen.

Unrealistische Annahmen der Projektwerber?

Dem aus Tschechien angereisten 40-köpfigen Panel sitzt auf der großen Bühne des Theaters eine „Öffentlichkeit“ von etwa 50 interessierten als Publikum gegenüber: Vertreter des Bundes und der Länder, Gemeinden vor allem in Grenzhähe aber auch überregionale NGOs und besorgte BürgerInnen und Bürger. Die Fragensteller sind gut vorbereitet. Die Kontrahenten kennen sich. „Es wurden diese Fragen ja bereits bei früheren Anhörungen ‚Stunden um Stunden‘ diskutiert – beginnt eine Fragestellerinnen ihr Statement. Jeweils eine Frage und eine Nachfrage ist pro Wortmeldung erlaubt.

 

Schon bei der ersten Frage wird es speziell.

Reinhard Uhrig von GLOBAL 2000 spricht die mögliche Verstrahlung bei einem schweren Störfall an und die praktisch sichere Auswirkung auf Österreich, selbst bei den extrem niedrigen Annahmen in der UVP-Erklärung des Projekts zum „Quellterm“ selbst bei einer Zerstörung des Reaktorkerns. Die Annahme von 30 Terabecquerel Cäsium-137 ist z.B. 120-mal niedriger als die Freisetzung eines einzelnen Fukushima-Reaktors.

Uhrig widerspricht den Projektwerbern, dass „das Kraftwerk keine relevanten Auswirkungen auf Österreich haben wird, da ein entsprechend sicherer Reaktortyp umgesetzt wird“. Dass dieser Reaktortyp weltweit in der Form noch nicht existiert, der diesen vorgegebenen niedrigen Quellterm und „praktischen Ausschluss“ von Verstrahlung auch bei einem Unfall und der Zerstörung des Reaktorkerns erfüllt, sehen die Projektwerber nicht als Problem.

Wie bei Zwentendorf: das Restrisiko sei gering

„Wir müssen das sicher stellen, diese Werte nicht zu überschreiten“ – argumentieren die Vertreter des Betreibers. Die Sicherheit des Kraftwerks wird also mit den strengen Auflagen argumentiert. Nach Fukushima wurden die Anforderungen überarbeitet. Ein neues Konzept dabei ist der „praktische Ausschluss“. Das heißt, was physikalisch unmöglich ist oder „wir mit großem Vertrauen sagen können, dass das Risiko sehr, sehr gering ist“. Konkret gibt es eine Liste von rund 10 Posten, aus welchen Gründen es zu einem Austritt von Radioaktivität kommen kann. Realisierbare Maßnahmen, die das ausschließen, dass es zu einem dieser Fälle kommt bis hin zur Wahrscheinlichkeit, dass etwas davon nicht funktioniert. Letztlich hören wir die Antwort, die wir schon von 40 Jahren rund um das geplante österreichische Atomkraftwerk Zwentendorf gehört haben: das Restrisiko sei gering. Wesentlich unwahrscheinlicher als andere große Gefahren,

Der fünfte Fragesteller stellt sich als „einfacher Niederösterreichs aber Techniker“ vor und hinterfragt diese Sichtweise „nach den Erfahrungen von Three Mile Island, Tschernobyl und Fukushima“, wo es jeweils zu einer Kernschmelze kam. Die niedrigen Wahrscheinlichkeiten seien unrealistisch.  Die Erfahrungen seien nicht auf Dukovany zu übertragen, kontern die Betreiber. Das Containment sei viel stärker. Ein Mal in 1000 dürfe jetzt nur mehr ein Mal in 10.000 Jahren etwas passieren. 18.000 Betriebsjahre haben die weltweit laufenden und bereits abgeschalteten AKWs bereits auf dem Buckel. Da seien die drei großen Unfälle von Three Mile Island, Tschernobyl und Fukushima letztlich recht wenig, rechnet die Leiterin der tschechischen Atomaufsicht vor. Eine Kernschmelze in 6000 Betriebsjahren – das sei ja besser als angenommen.

So lange wird es bis zu einer möglichen Genehmigung des Projektes nicht dauern – allerdings steht eine solche auch nicht unmittelbar bevor. Am 19 Juni fand in der Eishockeyhalle von Trebic eine weitere und im UVP-Verfahren vorgeschriebene öffentliche Anhörung (mit Simultanübersetzung ins Deutsche) statt. Selbst die tschechische Regierung  rechnet mit einer Inbetriebnahme in frühestens 20 Jahren. Es wird also noch viele Möglichkeiten geben, sie zu verhindern.

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