Hitzewelle und was folgt?

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(cooppa, Gastbeitrag von Hans-Josef Fell, 10.08.2018) Die Zeitungen sind voll mit Meldungen über die aktuelle Hitzewelle in Deutschland, über die verheerenden Waldbrände in Griechenland, Kalifornien, Portugal. Überall wird nach Ursachen gesucht, die weggeworfene Zigarettenkippe, Brandstiftung oder vielleicht doch die Erderhitzung?

Zaghaft trauen sich manche Journalisten doch die Erderwärmung ins Kalkül zu ziehen. Aber immer gleich beschwichtigend verbunden mit der immer wieder kehrenden These, dass für diese eine Hitzewelle, diesen einen Waldbrand, ein direkter Zusammenhang mit der Erwärmung nicht bewiesen werden kann. Eine wissenschaftlich völlig richtige These, die aber in der öffentlichen Debatte verheerende Wirkung zeigt: Die wissenschaftlich statistisch nachweisbaren Veränderungen im Klima auf der ganzen Erde, mit ihren unübersehbaren Folgen auch in Form von einzelnen extremen Wettereignissen, werden weiterhin vielfach noch nicht als dramatisch angenommen. Man wisse ja noch nicht ganz sicher, dass dieses einzelne Wetterereignis zusammen mit anderen, ja doch immer häufiger und heftiger kommenden Wetterextremereignissen mit der Klimaveränderung erklärt werden könne.

Eine fatale schlimme kollektive Einschätzung, induziert durch zaghafte Klimaforscher. Auch deshalb führen die aktuellen Ereignisse nicht zum entsprechende Klimaschutzhandeln, obwohl doch genau das eingetreten ist, was alle Klimaforscher seit Jahrzehnten warnend vorhersagten: Dass es immer schlimmere Wetterextreme und auch Veränderungen im normalen Wetterablauf hin zu Erwärmungen, Hitzeperioden, mehr Stürme, Starkregen, schlimmere Gewitter, Tornados usw. geben wird.

Dabei kann die aktuelle Hitzeperiode sehr wohl mit der Klimaveränderung erklärt werden:

Durch die massive Aufheizung der Arktis sind die Jetstreams in ihrer Kraft erlahmt, was für die Nordhalbkugel wie auch in Europa bedeutet, dass es immer weniger Wetterwechsel, aber eben lang andauernde, gleichbleibende Wetterlagen gibt. Genau zeigt sich durch die aktuelle lang andauernde Hitzeperiode und Dürre in Europa. Wo anders wirkt sich das völlig anders aus, so regnet es fast ununterbrochen bei sehr niedrigen Temperaturen in Island. Dort gibt es dieses Jahr keinen Sommer.

Warum nur rufen es die Forscher nicht laut hinaus: Genau vor dem, was wir heute erleben, haben wir seit Jahrzehnten gewarnt und es wird noch viel schlimmer kommen, wenn wir Menschen nicht endlich aufhören noch weiter Klimagase zu emittieren.

Immerhin mehren sich dennoch Kommentare und Meinungen, dass die aktuelle Hitzeperiode doch etwas mit der Klimaveränderung zu tun habe.

Immer häufiger wird eine Umkehr in der Klimapolitik gefordert, meist gipfelt es in der Forderung doch endlich etwas mehr CO2-Emissionen zu reduzieren.

Doch das genau ist das Fatale in der heutigen Debatte, von den Umweltverbänden bis hin zu den politischen Parteien.

Noch immer haben sie keinen Mut, aus den seit Jahrzehnten verfehlten Klimaschutzforderungen auszusteigen. Statt endlich die Ächtung jeglicher Klimagasemissionen zu fordern, endlich auf die Notwendigkeit einer konsequenten Nullemissionswirtschaft und die Schaffung großflächiger grüner Kohlenstoffsenken hinzuweisen, klagen alle immer die Anderen an, nichts Genügendes für den Klimaschutz zu tun.

Viele Privatleute klagen, dass „die da oben“ nicht genug für den Klimaschutz tun und steigen nach dieser losgewordenen Kritik ins Erdölauto, schalten die erdölbetriebene Klimaanlage an und fahren unter hohen Emissionen, das Klima weiter aufheizend, nach Hause. Dort schalten sie den mit Kohlestrom betriebenen Fernseher ein und hören in der Talkshow, dass „die da oben“ zu wenig tun. Und sie regen sich über „die da oben“ auf, statt endlich die Solaranlage aufs Dach zu bauen, ob mit der Mietergemeinschaft oder im Eigenheim; stattdessen bestellen sie noch schnell die für den Winter notwendige Heizöllieferung oder suchen sich bei den hohen Stromkosten der Klimaanlage den billigsten Stromhändler, ohne Rücksicht ob dieser Erdgas- oder Kohlestrom liefert.

Auch viele Umweltverbände klagen (natürlich zu Recht), darüber, dass „die Politik“ immer noch nichts tue. Völlig richtig hat der Präsident des NABU Olaf Tschimpke beklagt: „Es passiert nichts, nichts, nichts“. (https://www.tagesschau.de/inland/klimawandel-kohleausstieg-101.html)

Doch das Schlimme ist, auch der NABU hält trotz längst klarer anderer wissenschaftlicher Belege daran fest, dass die emissionsfreien Windräder ganze Vogelpopulationen im Bestand gefährden würden und riskiert mit seinen Forderungen, die Genehmigungen für Windparks deutlich höher zu schrauben, dass in Deutschland bald kaum mehr ein Windrad gebaut werden kann.

Auch der BUND lässt weiter viele seiner Kreisverbände gegen emissionsfreie Kleinwasserkraft, einzelne Windparks oder sogar Solarparks vorgehen, manchmal sogar klagend vor Gericht. Damit stehen sich viele Naturschutzverbände selbst im Wege nach besserem Klimaschutz.

Der Bauernverband fordert nun lauthals, dass es Entschädigungen für Landwirte geben solle, die angesichts der Dürre mit massiven Ernteausfällen zu kämpfen haben. Natürlich muss existentiell bedrohten Landwirten geholfen werden. Aber es war doch seit Jahrzehnten klar, dass es soweit kommen wird, wenn der Klimaschutz missachtet wird. Aber Verantwortung für den Klimaschutz hat der Bauernverband nie übernommen. Im Gegenteil: Er hat ihn immer massiv verhindert. Er unterstützt die höchst klimaschädliche Massentierhaltung, statt klimaschonender artgerechter Tierhaltung, er unterstützt lachgasemittierende intensive Landwirtschaftsmethoden, statt eine flächendeckende Umstellung auf Biolandwirtschaft. Er hat immer erfolgreich dafür gekämpft, dass das Erdöl in den Traktoren (Agrardiesel) weitgehend steuerbefreit bleibt, statt die umfangreichen Programme auf klimaschonende, nachhaltig angebauten Biokraftstoffe zu unterstützen oder gar Solarstrom betriebene E-Traktoren. Der Bauernverband stellt sich als Opfer der Klimaveränderung dar, ist aber weiterhin nicht bereit, seine Rolle als Verursacher endlich radikal zu verändern.

Es ist schlicht nicht zu fassen: Das „business as usual“ wie seit Jahrzehnten, zur Unterstützung der fossilen, klimazerstörenden Wirtschaft, hält überall an.

Trefflich beschrieben hat dies Christfried Lenz im PV Magazine.

Doch das business as usual hält an: in der Berliner und Brüsseler Regierungspolitik, bei den Verbänden, sogar bei den Umweltverbänden, und vielen Privatleuten, die immer noch nicht privat auf Erneuerbare Energien umsteigen wollen. Aber zunehmend beklagen sie alle, dass „die Anderen“ nichts Genügendes gegen den Klimawandel tun und fordern vielfach endlich eine unbestimmte und inhaltslose Kehrtwende beim Klimaschutz. Doch sie fordern kaum das, was wirklich notwendig ist:

Der vollständige Stopp (und eben nicht ein bisschen mehr Emissionsreduktion) aller klimaschädlichen Emissionen in Verbindung mit großflächigen grünen Kohlenstoffsenken, was gleichbedeutend ist mit einer Umstellung der Weltwirtschaft auf eine Nullemissionswirtschaft, in deren Mittelpunkt die Umstellung auf 100% Erneuerbare Energien bis 2030 steht.

Solange dies nicht Mainstream in der politischen Agenda, der medialen Berichterstattung, der Forderungen der Umweltverbände, der Klimaforscher und im persönlichen Handeln aller Privatleute wird, wird sich an der beschleunigten Aufheizung der Erde nichts ändern.

Und dann werden auch in Deutschland großflächig die Wälder brennen, vielleicht wegen einer achtlos weggeworfenen brennenden Zigarettenkippe, die es ohne Hitzewelle und Dürre niemals zum Flächenbrand geschafft hätte. Man wird den „Brandstifter“ vielleicht verklagen, aber dann doch wieder im klimazerstörenden Erdölauto weiterfahren, ohne Sinn und Verstand auf die eigene Verantwortung für den Klimaschutz.

Hammelburg, den 10. August 2018

Ihr Hans-Josef Fell

Dieser Beitrag erschien zuerst im Newsletter und auf der Website von Hans Josef Fell (MdB von 1998 bis 2013, Bündnis90/Die Grünen).

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