Grüner Wasserstoff aus Afrika

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Deutsches Forschungsministerium schließt Energie-Partnerschaft

(cooppa, 17.02.2020, Manfred Ronzheimer) Wasserstoff gilt als Energieträger der Zukunft, wieder einmal. Das brennbare Gas ist klimaneutral und universell einsetzbar. Aktueller Knackpunkt, der auch die Forschungspolitik verstärkt beschäftigt, ist seine Herstellung auf dem Wege der Elektrolyse. Nur wenn der eingesetzte Strom aus erneuerbaren Energiequellen stammt, entsteht „grüner Wasserstoff“ ohne Klimabelastung. Das kann auch an entfernten Orten geschehen: In diesem Monat startete Bundesforschungsministerin Anja Karliczek eine „Wasserstoff-Partnerschaft“ mit westafrikanischen Staaten. Weitere Wissenschaftsprojekte sind im Rahmen der „Nationalen Wasserstoffstrategie“ geplant, auf die sich die Ministerien der Bundesregierung derzeit verständigen.

Wasserstoff als Chance für afrikanische Staaten mit deutscher Unterstützung

„Afrika ist ein Chancen-Kontinent, und grüner Wasserstoff als das Öl von morgen zählt zu den ganz großen Chancen“, sagte Ministerin Karliczek nach einem Gespräch mit ihrem Amtskollegen aus dem westafrikanischen Staat Niger; Yahouza Sadissou.

Er ist zugleich Vorsitzender des Ministerrats für das mit Hilfe des BMBF aufgebauten „Kompetenzzentrums für Klimawandel und angepasste Landnutzung, WASCAL“ (West African Science Service Centre on Climate Change and Adapted Land Use), das Ausbildungs- und Forschungsprojekte zur Klimaanpassung in 15 westafrikanischen Ländern bündelt. 30 Mio Euro setzt das BMBF für diese Maßnahmen ein, zu denen jetzt das Thema Wasserstoff als neuer Schwerpunkt hinzu kommt. „Wir haben einen Potentialatlas zu Grünem Wasserstoff und synthetischen Kraftstoffen in Westafrika auf den Weg gebracht“, berichtet Karliczek. „Zusammen mit der deutschen Industrie sowie Forschungspartnern vor Ort sollen mögliche Standorte in Afrika, Erzeugungs- und Exportpotentiale sowie deren Erschließung analysiert werden.“ Damit könne „Klimaschutz zu einem globalen Geschäftsmodell werden“. Ende des Jahres soll der Potentialatlas veröffentlicht werden.

Auf technischer Seite wird der Bau einer Pilotanlage für die elektrolytische Wasserspaltung in Afrika geplant. An Sonne und Wind für die Stromherstellung herrscht kein Mangel; das benötigte Süßwasser – schon eher ein knappes Gut in den Tropen – soll aus einer Meerwasser-Entsalzungsanlage kommen. Später, in industriellem Maßstab, ist der Transport des Wasserstoffs per Schiff nach Europa vorgesehen. Das kleine Land Togo könnte eine Schlüsselrolle erlangen, weil sich hier der einzige Tiefseehafen der Region befindet.

Kooperation in Ausbildung und mehr Forschungsgelder

Derzeit funktioniert die deutsch-afrikanische Kooperation vor allem auf der Bildungsstrecke. Seit fast zehn Jahren arbeiten WASCAL und BMBF zusammen. „In dieser Zeit haben wir es 200 Nachwuchswissenschaftlern ermöglicht, sich in zehn miteinander verbundenen Themenfeldern zum Klimawandel zu qualifizieren, hydrometeorologische Beobachtungsstationen zu unterstützen und an maßgeschneiderten Modellen und Informationen für die Politik und lokalen Anpassungsstrategien zu arbeiten“, sagte Forschungsminister Sadissou bei seinem Besuch in Berlin in dieser Woche. Über ein Graduiertenschulprogramm wurden weitere 350 Fachkräfte in Disziplinen wie Ernährungssicherung und Wassermanagement ausgebildet. Derzeit entsteht der Neubau des WASCAL-Kompetenzzentrums in Burkina Faso, mit dem nach Worten des nigrischen Ministers „eine leistungsstarke Forschungsinfrastruktur für Klima- und Umweltdaten errichtet“ werde.

Noch stärker sollen die Forschungen zur Hydrogen-Nutzung im Inland vorangetrieben werden. Insgesamt plant das BMBF, in den nächsten drei Jahren rund 180 Mio. Euro für Projekte in der Wasserstoffforschung bereitzustellen. Das stellt gegenüber den letzten drei Jahren eine Verdoppelung der Mittel dar. Wurde früher vorrangig Forschungsprojekte im Verkehrsbereich gefördert, steht im Zuge der Energiewende der Industriesektor an erster Stelle. Hier gilt das CO2-Vermeidungspotential als riesig. „ Allein in der deutschen Chemieindustrie und bei Raffinerien können wir bis zu 15 Millionen Tonnen CO2 im Jahr vermeiden, wenn wir „grauen“ Wasserstoff aus Erdgas und Öl durch klimafreundlichen „grünen“ Wasserstoff ersetzen“, stellt die Forschugsministerin fest. Zum Vergleich: die gesamte deutsche Industrie emittiert rund 190 Millionen Tonnen CO2 im Jahr.

Wasserstoff ist nicht gleich Wasserstoff

Kurzer Exkurs in die energiepolitsche Farbenlehre: „Grauer Wasserstoff“ entsteht bei der Reformierung von Erdgas oder Vergasung von Erdöl oder Kohle, als „Blauer Wasserstoff: wird die Erdgas-Reformierung oder -Pyrolyse plus Carbon Capture and Storage (CCS) in tieferen Bodenschichten oder Kavernen bezeichnet, Bei „türkisem Wasserstoff“ bleibt CO2 als feste Materie übrig. „Grüner Wasserstoff“ entsteht durch die Wasserelektrolyse mit „grünem“ Strom (vor allem aus Wind- und Solarenergie).

Heute wird Wasserstoff hauptsächlich in der chemischen Industrie verwendet, zum Beispiel zur Erzeugung von Stickstoffdünger und Methanol. Vor vier Jahren wurde beim Stahlkonzern Thyssenkrupp das BMBF-geförderte Projekt Carbon2Chem mit Partnern aus Forschung und Industrie ins Leben gerufen.

© thyssenkrupp Aktiengesellschaft

Dessen Ziel ist es, die Hüttengase aus der Stahlproduktion, einschließlich CO2, als Ausgangsstoff für chemische Produkte zu nutzen. Dazu soll Strom aus erneuerbaren Quellen verwendet werden. Bei dem Carbon2Chem-Verfahren wird Hüttengas mithilfe von Wasserstoff in Methanol und Ammoniak umgewandelt, woraus dann Kraftstoffe (sogenannte E-Fuels), Düngemittel oder Kunststoffe ohne Einsatz fossiler Rohstoffe hergestellt werden können.

Ambitionierte Infrastruktur gefragt

Wichtig ist es, neben der Forschung auch jetzt schon die Weichen für künftige Infrastrukturen zu stellen. Dem soll die Nationale Wasserstoffstrategie der Bundesregierung dienen, die eigentlich bereits im vorgen Jahr verabschiedet werden sollte, was an Ressortrivalisen scheiterte. Forschungsministerin Karliczek strebt an, darin als Zielmarke zu definieren: „Im Jahr 2040 wollen wir 800 Terawattstunden unseres Energiebedarfs aus grünem Wasserstoff decken“, so die Politikerin vorige Woche im Interview mit dem „Handelsbatt“.

Derzeit liegt der deutsche Gesamtenergiebedarf bei rund 3500 Terawattstunden im Jahr. Zudem plädiert die BMBF-Chefin für die Einrichtug eines Nationalen Wasserstoffrats, der allerdings als handlungsfähige „Taskforce und Innovationskoordinator“ agieren müsse, „der wirklich den Prozess immer wieder antreiben kann“.

Der Energieforscher Robert Schlögl vom Max-Planck-Institut für Chemische Energiekonversion (CEC) in Mülheim an der Ruhr findet, dass die deutsche Wasserstoff-Strategie viel schneller und ambitionierter sein müsste. „Andere Länder haben es nämlich schon kapiert: Saudi-Arabien, Russland teilweise und vor allem China“, bemerkte er im Gespräch mit der Forschungsministerin. Die Nationale Strategie sei viel zu bescheiden formuliert. „Die Dimension müsste weit größer sein, um den Faktor 20 ungefähr“, meint der Forscher. Nur dann ergäben sich die „Economies of Scale“, um „schnellstmöglich den Markthochlauf zu bekommen“ und Weltmarktführer der Wasserstoffetechnik zu werden. Schon einmal war Deutschland an dieser Stelle, erinnert Schlögl: „Wir müssen das vermeiden, was wir bei der Solarenergie falsch gemacht haben“.

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(Beitragsbild:  © WASCAL / Jelena Vajen)

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