Wirklich grüner Strom & Biodiversität

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Eine Studie bzw. ein Kollaborationsansatz

(cooppa, Aurelia Jurtschitsch, 12.07. 2018) Mitte Juni präsentierte das ÖKOBÜRO – vertreten durch die Projektleiterin Summer Kern, Energiesprecher Thomas Mördinger und GF Thomas Alge – die Ergebnisse der Projektstudie „Erfolgreiche Umsetzungsprozesse für eine Energiewende unter Schonung der Biodiversität“.* So sehr die vier für Österreich maßgeblichen erneuerbaren Energieproduzenten – Wasserkraft, Windkraft, Photovoltaik und Biomasse – an dem einen großen Strang Richtung Alternativen zu fossilen Energien ziehen, so verschieden ist im Detail ihr Einfluss auf die unmittelbare Umgebung (Flächenverbrauch, Behinderung gewisser Tierarten, Konkurrenz zu Lebensmittelproduktion) – und steht damit bisweilen naturschützerischen Zielen entgegen oder gefährdet Biodiversität. Derartige Fragen im Vorfeld herauszukristallisieren, macht daher zweifellos Sinn, um dann mit besserer Planungssicherheit und umfassenderen Entscheidungsgrundlagen arbeiten zu können. Der Sensibilisierungsgrad für unerwünschte Nebenwirkungen ist bei den an der Studie Beteiligten sehr groß – im Gegensatz zum anonymen Kollektiv aller, die am unverminderten Einsatz von fossilen Energieträgern festhalten und ganz andere „Nebenwirkungen“ mitverursachen.

Die Zeit drängt,…

Dazu einige Eckdaten: Die globale Klimakrise schlägt jetzt schon in Österreich zu Buche, denn die Erwärmung seit 1880 betrug 2 Grad Celsius, global hingegen nur 1 Grad. Der April 2018 war der wärmste seit 1800, schmelzende Gletscher, gehäufte Starkregenereignisse mit Überflutungen bzw. Dürreperioden, Vegetationsverschiebungen, gesundheitliche Beschwerden sind nur einige der allgemein beobachtbaren Vorkommnisse. Der volkswirtschaftliche Schaden beträgt bereits 1 Milliarde Euro pro Jahr, Tendenz drastisch steigend bei einem Weiter-wie-Bisher. Doch die Weltgemeinschaft hat sich auf der Pariser Klimakonferenz 2015 darauf geeinigt, die globale Klimaerwärmung möglichst unter 2 Grad Celsius einzubremsen. Insofern existiert nun auch ein österreichisches Regierungsprogramm, das 100 Prozent erneuerbaren Strom aus heimischer Produktion bis 2030 anvisiert.

Hier erscheint eine wichtige Unterscheidung angebracht. Reden wir von Energiewende, d.h. kompletter Ausstieg aus fossilen Energien, die bekanntlich der Knackpunkt sind bei privater und professioneller Mobilität (Auto, LKW, Flugzeug, Schiff), Heizaufwand und Industrie, oder von Stromwende?!

… aber möglich ist es
Titelblatt der neuen Broschüre

Die vorgestellte Studie samt Begleitbroschüre wagt trotz vielfältiger Risiken den wirklich entscheidenden Schritt und geht davon aus, „dass Österreich bis 2050 völlig aus dem fossilen Energiesystem aussteigen kann – ohne Verlust an Biodiversität“. Das ist sicher die gute Nachricht, prinzipiell. Allerdings gibt es eine nicht zu unterschätzende Bedingung dazu: Die Halbierung des Energieverbrauches im gleichen Zeitraum. Das mag als die nicht so gute Nachricht gewertet werden, bleibt dennoch als Gedankenexperiment für jede/n Einzelnen in ihrem/seinem Bereich als Hausaufgabe bestehen… Immerhin lautet das Motto: Gemeinsam zu wirklich grünem Strom. Mit dem Kollaborationsansatz zur biodiversitätsschonenden Energiewende.

In Österreich gibt es auf Bundes- und Landesebene unterschiedliche Energiestrategien. Das ÖKOBÜRÖ analysierte 38 vorhandene Planungsprogramme, Strategien für die Errichtung und Betrieb von Kraftwerken – auch im Hinblick auf die Einbeziehung der Biodiversitätsstrategie 2020 des Bundes und stellte verschiedentlich Handlungsbedarf fest, wenngleich auch schon bestehende z.B. raumplanerische Instrumente für zu errichtende Windkraft oder PV-Anlagen oder der Nationale Gewässerbewirtschaftungsplan im Sektor Wasserkraft vorhanden sind.

To Do List, respektive Empfehlungen

Entsprechend dem Setting der Studie wurden Maßnahmen herausgearbeitet, die für alle vier Sektoren der erneuerbaren Energien gelten und vollinhaltlich mitgetragen werden, aber auch nur spezifisch z.B. für Wasserkraft oder Biomasse relevant sind.

Verbindlichkeit ist oberstes Gebot und zwar auf allen drei Ebenen: Eine klare Klima- und Energiestrategie des Bundes, auf Länderebene entsprechende Raumordnungspläne unter Einbeziehung von Umweltschutzorganisationen und auf Gemeindeebene ein ökologisches Energieversorgungskonzept unter Beteiligung einer breiten kommunalen Öffentlichkeit. Ebenso frühzeitige Partizipation aller Stakeholder (Politik, Verwaltung, Fachkräfte, Investoren/Betreiber, Naturschützer, Kommune/Anrainer). Wenn es verbindliche Vorgaben des Gesetzgebers gibt, wird im Einzelfall eventuell der Gestaltungsspielraum eingeschränkt, doch wenn hier Klarheit vorliegt, ist auch geringere (individuelle) Frustration zu erwarten. Einbindung von Fachkräften sowohl bei der Moderation als auch in ökologischen oder Verwaltungsbelangen der Planungs- und Entscheidungsprozesse sei unumgänglich.

Diskussion mit (v.l.) Jürgen Schneider (Umweltbundesamt), Karl Schellmann (WWF Österreich), Kasimir Nemestothy (Landwirtschaftskammer Österreich), Stefan Moidl (IG Windkraft), Thomas Hansmann (NÖ Landesumweltanwalt) sowie Moderatorin Kerstin Arbter. (Foto: ÖKOBÜRO)

Als eine wesentliche Maßnahme zur Erreichung der nationalen Klimaziele wird empfohlen, externe Kosten in das Steuer- und Fördersystem zu integrieren. Ebenso ein Ranking für die Vergabe von Fördergeldern: Je höher die Energieerzeugung bei geringem Naturverbrauch, desto bessere Chancen auf Förderung. Dazu muss ergänzend die Formel „Naturzerstörung/Megawatt“ gut balanciert sein.

Von alleine geht es nicht

Dringend ins Stammbuch geschrieben, nein: getwittert!, sei auch, dass die Energiewende nicht von alleine geschieht: Es muss verstärkt Bewusstsein geschaffen werden, (rasch) Maßnahmen ergriffen werden, Studien, Seminare und Kongresse abgehalten werden, insbesondere zum Kohlenstoffkreislauf. In der Kommunikation – die Medien sind gefordert!- muss konkret auf den definitiven Ausstieg aus den fossilen Energieträgern – Energiewende! – fokussiert werden.

Nicht zuletzt wird auf die vielfältige Bedeutung des Bodens hingewiesen: (alte) Wälder und humusreiche Böden sind gute CO2-Speicher, weitere Versiegelung wirkt sich negativ aus (dazu ein beispielhafter Vorschlag: bestehende Parkplätze verpflichtend mit PV-Anlagen zu überdachen), Koordinierung/Staffelung der Vorrangigkeit von Lebensmittel-, Futtermittel- und Energiepflanzenanbau, womit eng verbunden ist die Frage des Lebensstils, insbesondere Ernährungsgewohnheiten. Aber auch die Verwendung der vielen kleinen und großen Elektro- und elektronischen Geräte im Haushalt. Eine Stichprobe zum aktuellen Verkauf von Klimaanlagen ergab eine Verdreifachung zum Vorjahr

Da macht es schon Sinn, ernsthaft wird wiederholt zu betonen, dass es mit ein bisschen Effizienzsteigerung und ein bisschen Einsparung nicht gelingen wird. Vielmehr ist HALBIERUNG DES ENERGIEVERBRAUCHS die einzige erfolgversprechende Strategie bei der Energiewende. 

* Laufzeit zwischen Sommer 2016 und Mai 2018, gefördert durch das nunmehrige Bundesministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus und Mitteln der Europäischen Union.

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Beitragsbild: (c) ÖKOBÜRO

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