Die Nachhaltigkeit des Journalismus

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Das Netzwerk Weitblick lud zu seinem zweiten öffentlichen Forum nach Berlin

(cooppa, Manfred Ronzheimer, 17.06.2018) Das Netzwerk Weitblick – der Verband für Journalismus plus Nachhaltigkeit – diskutierte in seinem zweiten Forum Weitblick am 14. Juni in Berlin über den „Journalismus für die Zukunft – welche Themen sind wirklich wichtig?“. Der Termin war zugleich die Abschlussveranstaltung für das „Qualifizierungsprojekt“, mit dem der Verband in den letzten zwei Jahren ein Curriculum für Nachhaltigkeitsthemen in der Journalistenausbildung entwickelt hatte. Dazu wurde in den letzten Monaten eine Staffel von zwölf thematischen Handbüchern erstellt, die in Berlin erstmals präsentiert wurden.

„Unser Ziel ist es, Journalisten ein Gespür für das Querschnittsthema Nachhaltigkeit und das Handwerkzeug für die damit verbundenen Fragestellungen, Herausforderungen und Lösungen zu vermitteln – damit sie in ihrem Berufsalltag andere Fragen stellen und aus neuen Perspektiven berichten“, erklärte die Vorstandsvorsitzende Susanne Bergius. Auch nach Abschluss des von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt geförderten Projekts sollen die Seminare in Kooperation mit Bildungsträgern aus dem Medienbereich und Hochschulen weiter angeboten werden. Die Handbücher werden über die Mediengenossenschaft Riffreporter, in der das Netzwerk Mitglied ist, entgeltlich vertrieben.

Großes Thema, wenig Zeit

Den Diskursteil des Forums an mondänem Ort – der Hauptstadt-Repräsentanz des Bertelsmann-Konzerns Unter den Linden – stellte die Zukunft in den Fokus. Klimawandel, Artensterben, planetare Leitplanken: Prognosen zeichnen ein düsteres Bild. Wie sieht vor diesem Hintergrund ein „Journalismus für die Zukunft“ aus, der nicht entmutigt, sondern Perspektiven aufzeigt und zum Handeln anregt? Darauf ging der „Zeit“-Journalist Maximilian Probst mit einem Impulsvortrag ein. „Das Thema ist groß und die Zeit für Lösungen ist knapp“, konstatierte Probst. Schon 1988 sei auf dem Umweltgipfel in Toronto vor dem Klimawandel gewarnt und radikales Handeln einhellig gefordert worden. 30 Jahre später stecke sowohl der Journalismus als auch die Demokratie in der Krise. In den Medien müsse Nachhaltigkeit aus dem „Framing“, lediglich ein grünes Nischenthema zu sein, heraustreten und seine Relevanz für alle Ressorts verdeutlichen. Die Medien müssten sich wieder stärker ihrer Rolle als „Vierter Gewalt“ im Staat bewusst werden. „Meine Hoffnung: Wenn die Medien anfangen, über Nachhaltigkeit und Klimawandel als totales Themen zu reden, die jedes Ressort berühren, werden Politik und Gesellschaft nicht umhin kommen, sich ernsthaft damit auseinanderzusetzen“, schloss Probst tendenziell positiv.

In einem von Rolf-Dieter Krause geleiteten Panel diskutierten zwei journalistische Praktiker mit zwei externen Umwelt-Experten über Stand und Perspektiven des Nachhaltigkeits-Themas in den Medien. Juliane Wellisch, Chefin vom Dienst Journal bei t-online.de, dem reichweiten-stärksten Internet-Portal in Deutschland nach eBay, gab zu, dass Nachhaltigkeit ihrem News-Kosmos zu den „nicht-populären Themen“ zähle. Dennoch wolle man es nicht aussparen, aber in einer Form aufgreifen, dass Interessierte zu weiteren Vertiefungen anderswo im Netz geführt werden. So sei bei ihr das Thema Glyphosat stark gelaufen, sicherlich auch deshalb, weil man die Meldung mit Rückständen im Bier begonnen habe. „Posts in den sozialen Medien müssen den Impuls auslösen, das Freunden und Kollegen zeigen wollen. Also keine trockene Analyse, sondern durch Lösungsvorschläge und Alltagsnähe“. Wellisch: „Wir als reichweitenstarkes Medium müssen weiter unten beim Alltag anfangen. Den großen Überbau wie eine EU-Verordnung darzustellen, ist da erst mal schwierig.“

Von der Lebenswirklichkeit der Hörer ausgehen

Auch Claudia Plaß, Reporterin im NDR-Zukunftsformat „Perspektiven“, konstatierte, dass es in ihrer Rundfunk-Redaktion schwer sei, das Thema Nachhaltigkeit unterzubringen. „Wir nennen unser Format auch nicht so, sondern ‘Perspektiven’ – um zu schauen, wo gibt es Initiativen in unserer Region, die sich engagieren. Auf diese Weise schaffen wir eine Nähe zur Lebenswirklichkeit unserer Hörer“, so die Journalistin, etwa auf das dörfliche Umfeld vieler Hörer. Dies habe dann auch zu der Sendereihe „Perspektiven“ geführt, die besonders auf Themen mit langfristiger Auswirkung eingehe. Damit rechne man sich auch der Bewegung des „konstruktiven Journalismus“ zu.

Carel Mohn, Director Media Programmes von „Clean Energy Wire“ und Chefredakteur des Internet-Dienstes „Klimafakten.de“, stellte seine Informationsangebote vor, zu denen Journalisten als eine der Hauptzielgruppe zählen. Schockierende Bilder, wie die Plastikvermüllung asiatischer Urlaubsstrände, seien ein Ausgangspunkt für Aufmerksamkeit. Doch müsstte eine solche Emotionalität am besten im selben Text „ins Produktive gewendet“ werden, indem individuelle wie kollektive Handlungsmöglichkeiten aufgezeigt werden. Wichtig war es Mohn, dass Journalisten beim Thema Nachhaltigkeit „die großen Linien erkennen“, das sei etwa in der Klimapolitik der Budgetansatz für die Kohlendioxidbelastung der Atmosphäre.

Mit Utopien arbeiten

Maja Göpel, Generalsekretärin des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU), stellte den Bezug zwischen Nachhaltigkeits-Berichterstattung und der „Großen Transformation“ her. Deren Intention sei es, aus den „alten Pfaden auszubrechen“ (etwa dem fossilen Energiesystem) und grundlegende Frage, wie die nach dem „guten Leben“ und seinen Bedingungen, neu zu stellen. Aufgabe der Medien könnte es dabei sein, die Potenziale der Veränderung sichbar zu machen und „mit Utopien zu arbeiten“, etwa der Beschreibung einer nachhaltig funktionierenden Landwirtschaft. „Welche Vermittlungsformate braucht es dafür, um aus der gegenwärtigen Verweigerungshaltung von Politik und Wirtschaft herauszukommen?“, war Göpels Frage an die Journalisten. „Mein Wunsch wäre, dass in der Berichterstattung drei zentrale Fragen berücksichtig werden: Worum geht es? Was ist die lange Sicht? Was ist der Umkehrschluss?“ Und die WBGU-Generalsekretärin weiter: „Individualstrategien in Richtung Nachhaltigkeit sind risikoreich. Deswegen braucht es gesellschaftliche und kollektive Lösungen – und Plattformen dafür.“

Vor der Mittagpause stellte Projektleiter Torsten Sewing dar, wie die zwölf Qualifizierungs-Handbücher zustanden kamen und wie sie künftig vertrieben und eingesetzt werden sollen. Auch wenn in jedem Band ein Fachthema behandelt werde, sei doch sehr darauf geachtet worden, „möglichst jargonfrei“ zu bleiben. Es gehe der Nachhaltigkeit generell darum, „vom Reden zum Handeln“ zu kommen. Das solle mit den Publikationen unterstützt werden. Themen sind Finanzen, Lieferketten, PR, Abfall, Wirtschaftswachstum, Storytelling, Energiewende, Globale Herausforderungen, Verkehrswende, Wissenschaft, Fleisch und Wasser.

Dreck zu Gold machen

In zweiten Teil der Veranstaltung wurden drei Workshops angboten, in denen konkrete journalische Ansätze und Modelle zum „Anders… wirtschaften, schreiben, wegwerfen“ vorgestellt wurden. Im Workshop „Anders wirtschaften – um zu überleben“ wurde die Frage gestellt, ob die heutige Art des Wirtschaften „uns gerade an den Rand des Verderbens bringt“. Querdenken und Mut zu neuen Ansätzen seien gefragt, was zusammen mit Vertretern der ILA Werkstatt für globale Gerechtigkeit dann konkretisiert wurde. „Anders schreiben – um Hintergründe wichtiger Themen zu vermitteln“ war der Titel des zweiten Workshops zu journalistischen Darstellungstechniken. Neben guter Recherche und Fachwissen gehöre zur Vermittlung „auch spannendes Erzählen“, wozu von Dokumentarfilmern und PR-Agenturen Beispiele geliefert wurden.

Unter dem Titel „Anders wegwerfen – Dreck zu Gold machen“ wurde im dritten Workshop am Beispiel Kreislaufwirtschaft gezeigt, wie ein auf den ersten Blick sperriges Themenfeld viele interessante Fakten enthalten und wie spannend erzählt werden kann. Inputs kamen von Heike Janßen, Susanne Fischer, Expertin für Kreislaufwirtschaft am Wuppertal Institut, sowie von Frank Heinlein vom Projekt UMAR – dem „vollständig wiederverwendbaren Gebäude“.
Der öffentlichen Veranstaltung schloss sich die interne Mitgliedervesammlung an.

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